Fünf Partien
von Nicole
Wir sind gerade von unserem Jahresabschlussspaziergang zurückgekommen. Es war sonnig und erstaunlich mild. Wir gingen sehr langsam, die lange Wanderung von vorgestern steckte uns noch in den Knochen. Ideale Bedingungen, um ein ausführliches Jahresabschlussgespräch zu führen. Über Spiele. Mit dem Ziel, unser Spiel des Jahres zu benennen.
2008 hat Florian eine Liste angelegt mit all unseren Spielen. Inzwischen ist sie in der Papierversion auf neun Seiten angewachsen. Wurde ein Spiel in einem bestimmten Jahr gespielt, bekommt es ein Kreuzchen. In jeder Jahresspalte steht bei einem Spiel statt eines Kreuzchens ein SdJ – Spiel des Jahres. Im ersten Jahr war es Thurn und Taxis, im zweiten Agricola. Immer haben wir ein Spiel gefunden, das in dem Jahr etwas ganz Besonderes für uns war. Ob nun Die Burgen von Burgund 2012, Hanabi 2013 oder Codenames Duett 2018. Es musste keine Neuerscheinung sein.
So viele Kandidaten
Noch nie waren wir bei der Wahl unseres Spiels des Jahres so ratlos wie heuer. Das lag nicht an den insgesamt 629 analogen Mehrspieler-Partien. Die Zahl war in den Vorjahren ähnlich. Auch einen eindeutigen Spitzenreiter gab es: 66 Partien Die Crew reist gemeinsam zum 9. Planeten. Zu zweit sind wir bei Level 33. Wir haben es auch einen ganzen Abend lang in Emmering zu fünft gespielt. Oder zu dritt oder zu viert. Ein kooperatives Stichspiel mit gar nicht mal so schlechten Flavourtexten, das die Spieler vor zunehmend unlösbar wirkende Aufgaben stellt, die dann doch irgendwie bewältigt werden. Die Crew zählte auf jeden Fall zum Favoritenkreis, aber am häufigsten haben wir es zu zweit mit Dummy gespielt. Und in dieser Variante ist es zwar gut, aber am schwächsten.
32-mal haben wir Jump Drive von Tom Lehmann gespielt, Race for the Galaxy in schneller. Für Florian, der zudem seine Mittagspausen für etliche Solopartien nutzte, wäre es sein ganz persönliches Spiel des Jahres, für mich eine nette Abwechslung zu Race.
Ganz schön clever haben wir nicht erst 2019 entdeckt, aber auch oft gespielt, noch bevor es zum Regvor-Spiel gewählt wurde. 24 Partien reichen für Platz 3 im Jahresranking. Adventure Island spielten wir 23-mal mit Begeisterung, aber Regellücken und missratene Ausstattung lassen auch uns zögern, die wir alles andere als eine weltbekannte Jury sind.
22-mal haben wir uns dem Herr-der-Ringe-LCG gewidmet, das schon einmal unser Spiel des Jahres war, nämlich 2016. Einmal versuchten wir es zu dritt, in Nördlingen im Juni mit Tilo, dann wieder zu zweit ab 6. November. Wenn ich mich entscheiden müsste, welches Spiel für zwei Personen ich auf eine Insel mitnehme, würde ich sofort Herr der Ringe sagen. Mit sämtlichen Kampagnen natürlich. Doch zu dritt hat es nicht so richtig gezündet, was schade war.
Was ganz anderes
Fünfmal kam 2019 Steam bei uns auf den Tisch. Vernachlässigbar selten, könnte man sagen. Platz 30, zusammen mit Star Realms und Pairs. Aber jede einzelne Steam-Partie ist im Gedächtnis geblieben: Erst die Amerika-Karte von Ted Alspach im Juni in Nördlingen mit Thomas S. und Carsten. Dann am gleichen Wochenende die Rückseite des Plans – Europa. Ende August folgte Carstens selbst entworfene Alpen-Karte bei seinem ersten und hoffentlich nicht letzten Besuch in Vierkirchen. Carsten notierte sich die Erkenntnisse aus dem Test auf einem der Zettel mit blauem Fisch, die unser Lieblingsspieleversender netterweise oft zusätzlich ins Paket legt.
Es folgten die Brüssel-Karte bei einem Aufenthalt bei Thomas S. im September und schließlich beim ersten von mir organisierten langen Brettspielwochenende in Reimlingen nochmals die Alpen. Diesmal mit den Verbesserungen auf dem Fisch-Zettel. Tilo und Thomas B., der Steam inzwischen auch schätzt, haben mitgebaut. Thomas B. begann im Westen, in Frankreich. Tilo orientierte sich nach Osten und versorgte das Habsburgerreich mit Schienen, Florian verband München und Stuttgart, Carsten konzentrierte sich auf Po-Ebene und Piemont. Ich begann in Südtirol, also genau in der Mitte. Der Brenner war wieder mein – wurde aber zum zweiten Mal nicht zur Siegstrecke.
Von jeder Partie könnte ich ewig erzählen, etwa von Florians mitteleuropäischem Kreisel, dem Metrobau in Brüssel, der erfreulich für mich endete. Wie Tilo und Thomas B. auf den Flanken der Alpen großartig vorankamen und sich dann in der letzten Runde beim Wettbieten verzockten. Oder wie Florian mich auf der Amerikakarte in der ersten Runde vor einem folgenschweren Fehler bewahrte. Ich bin die einzige Frau in unseren Steam-Runden, kann nach wie vor nicht zählen – Florian würde sagen: die Gleisbaukosten zusammenrechnen – und genieße einen Bonus. Wenn ich sage: Zählt mal, dann wissen die Männer sofort, wie viel ich für meine Strecke zahlen muss. Dafür bin ich dankbar. Auch dafür, dass sie mir die richtigen Plättchen mit zwei, drei oder vier Ausgängen, engen und weiten Kurven oder übereinander verlaufenden Gleisen raussuchen.
Gefühlt waren es mehr als fünf Partien, und das nicht nur, weil wir auch einmal zu zweit Age of Steam auf der Alabama-Karte spielten. Oder weil Florian es fast ein wenig bereut, dass er nicht die Kickstarter-Deluxe-Neuauflage von Age of Steam mitfinanziert hat. Es wäre eine Grenzüberschreitung gewesen, die Kickstarterei ist nicht so das Unsere.
Steam war schon immer außergewöhnlich. Die Umbrien-Karte hat uns vor ein paar Jahren dazu inspiriert, nach Umbrien zu radeln. Dort liegen übrigens viel weniger Gleise als auf unserem Plan. Nun ist Steam unser Spiel des Jahres geworden. Und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem sich der Verlag Mayfair Games nach der Übernahme durch Asmodee praktisch in Luft aufgelöst hat und mit ihm das Spiel. Fürs Erste. Wir haben übrigens ganz dolli viele Spielpläne für ein bis sieben Personen und freuen uns über Steam-Besuch. Ich spiele am liebsten mit den orangen Lokomotiven.
Unsere Spiele des Jahres
- 2018: Codenames Duett
- 2017: Orléans
- 2016: Der Herr der Ringe – das Kartenspiel
- 2015: The Game
- 2014: Russian Railroads
- 2013: Hanabi
- 2012: Die Burgen von Burgund
- 2011: Great Western (von Martin Wallace, siehe BGG) mit Florians Erweiterungen (BGG)
- 2010: Sherlock Holmes Criminal-Cabinet: Die Queen’s-Park-Affaire (BGG)
- 2009: Agricola
- 2008: Thurn und Taxis