Spielen in Vierkirchen

Brett- und Kartenspiele im Norden von München

Tag: Steam

Insel der Glückseligen

by Nicole

Klaus findet Witchstone am besten, das neue Hexenspiel von Reiner Knizia. Tilo mag besonders Faiyum, von Friedemann Friese 2020 in Retro-Optik veröffentlicht. Gabie vergibt ihren Stern an die Leute und das Essen. Das freut mich, denn Gabie ist zum ersten Mal in Ruppertshofen dabei.

2020 hat die Seuche das lange Brettspielwochenende im Gästehaus Grüner Pfad verhindert. 2021 passiert uns das nicht noch mal. Alle Teilnehmer sind geimpft und tragen wie selbstverständlich fast überall Maske, nur nicht in den Spieleräumen. Die sind so groß, das man Sars-CoV-2 samt Hygienemaßnahmen für Stunden vergessen kann. Wir haben die Erlenhalle gebucht. Besser gesagt, den Versammlungsraum und das Bürgerstüble. In der Halle selbst stehen vor der Bühne und an einer Wand Tische für die Spiele, an der anderen Kaffee, Tee, Säfte, Wasser und ein gläserner Topf, der jeden Morgen wieder voller Schokolade ist.

Battlelore

Tierzüchter und Wiederholungstäter

Vier Nächte, fünf Tage: Am Donnerstag treffen die Ersten gegen Mittag ein, am Montag fahren die Letzten, als die Sonne schon an Kraft verliert. Den Auftakt des Wochenendes bildet Castles of Tuscany. Florian und ich haben das Stefan-Feld-Spiel mitgebracht, das viel von Burgen von Burgund übernimmt, aber doch ausreichend individuell ist, Thomas S. und Claudia lernen es kennen. Als letztes wird am Montag Tal der Kaufleute gespielt, ein Deckbuilder, bei dem ich Gabie, Klaus und Tilo nur kurz müde zuschaue. Nach 30 Partien, mal kürzer, mal länger, und vier Nächten mit zu wenig Schlaf bin ich platt.

Zwischen den beiden Spielen, die Anfang und Ende markieren, liegen große und kleine Runden in verschiedensten Besetzungen. Ich spiele mit allen, aber nicht alles, was ich mir vorgenommen habe. Pandoria zum Beispiel fällt dem Zeitmangel zum Opfer. Und Snowdonia. Dafür kommt Hallertau, das neue Rosenberg-Spiel, schon am ersten Nachmittag auf den Tisch. Während immer mehr Teilnehmer eintrudeln, verschieben Claudia, Thomas S. und ich dank unserer Umsicht beim Anpflanzen und in der Tierzucht beharrlich unsere Gemeinschaftshäuser nach rechts, um irgendwann Siegpunkte durchs Fenster winken zu sehen. Ich mag das Spiel, auch wenn ich bei unseren regelmäßigen Radtouren in der echten Hallertau noch nie Schafe gesehen habe.

Am Nebentisch freuen sich Bodo, Thomas O., Peter und Sabine so darüber, endlich wieder den Friedemann-Friese-Klassiker Funkenschlag auspacken zu können, dass sie nach einer Partie mit Gabie glatt noch eine mit Brigitte anhängen. Für Bodo und Thomas O. wird es das Wochenende der zweimal gespielten Mehr-Stunden-Spiele, denn am nächsten Tag sind sie zweimal hintereinander mit ihren Zwergen in größerer Runde in den Caverna-Höhlen unterwegs. Und an den beiden Tagen danach steht je eine Partie Gaia Project auf dem Programm, immer mit mir. Einmal ist noch Tilo dabei, einmal Carsten.

Am ersten Tag spielen wir brav nach den Vorgaben für die erste Partie. Das ist fordernd genug. Ich habe die gelben Xenos und als Besitzerin des Spiels den Vorteil intensiven Regelstudiums im Vorfeld des Wochenendes. In der sechsten Runde habe ich auf einmal das Gefühl, alles fügt sich. Tags darauf ändern wir nichts an der Position der Planeten, wählen aber unter allen 14 Völkern. Bodo probiert es noch mal mit den roten Hadsch Halla, Thomas hat sich in die grauen Mad Androids verguckt und Carsten übt sich im komplizierten Machtkreislauf der weißen Nevlar. Ich entscheide mich für die orangen Geoden, die Meister des Kolonisierens fremder Planeten sind. Diesmal kommt die Zuversicht schon in Runde fünf.

Eigentlich ganz nett

Andrea und Timo, die – von Carsten überzeugt, dass wir alle eigentlich ganz nett und angenehme Mitspieler sind – zum ersten Mal teilnehmen, lerne ich bei eine Reihe kleinerer Spiele kennen und schätzen. Das von ihnen mitgebrachte Come to Fishing Village ist bonbonbunt und pfiffig. Und in Tiefseeabenteuer hat Timo den Mut, noch weiter runter zu den wertvolleren Schätzen zu tauchen, und das Glück, dass wir alle früh wieder zurück im Boot sind und ihm den Sauerstoff nicht streitig machen. Das Meer hat es uns angetan.

Als Fünfer-Crew machen wir am Montag kurz vor dem Mittagessen auf die Schnelle noch Fortschritte bei der Mission Tiefsee. Carsten hat den Nachfolger von Die Crew reist gemeinsam zum 9. Planeten mitgebracht. Florian und ich sind begeistert. Wir wollen es bald zu Hause zu zweit ausprobieren.

Abgesehen von unserer feinen Tichu-Runde, lassen sich Brigitte und Sabine auch auf Krass kariert und Anno 1800 mit Florian und mir ein. Ich mag die Runden mit den beiden, weil alles so entspannt und ruhig ist. Brigittes Investition in eine Kanone im Jahr 1800 zahlt sich voll aus. Wir besuchen sie alle, um unsere Schiffe auszurüsten, was ihr reichlich Gold einbringt. Ich produziere Gin, Sabine Rum. Wenn sie nicht gerade ein Sommerfestle macht. Und Florian nutzt seine und unsere Ressourcen so gut, dass er als Erster seine Karten loswird und souverän gewinnt.

Wie geht‘s uns denn heute?

Florian setzt sich auch am vierten Tag in Steam durch. Sein Highlight des Wochenendes. Nicht weil er gewinnt, sondern weil Steam Steam ist. Auf der Nordamerika-Karte von Ted Alspach, wo die Waren knapp sind, dafür die Loks von Anfang sechs Felder Reichweite haben, startet er als Letzter, gründet eine neue Stadt, weil keiner vor ihm das schon in der ersten Runde tun wollte, und behauptet nach drei Stunden Rangeln um die besten Strecken mit einem Augenzwinkern, das sei entscheidend gewesen. Claudia spielt zum ersten Mal Steam. Den von mir gepriesenen Frauenbonus, die Männer nach den gewünschten Plättchen suchen und die Streckenbaukosten ausrechnen zu lassen, hat sie im Gegensatz zu mir nicht nötig.

Steam America

Mit Peter und Thomas K. bringe ich es auf eine Partie Hadara am Montagnachmittag kurz vor deren Aufbruch. Thomas K., der gerade Le Havre gewonnen hat, nimmt es mir nicht übel, dass er meinetwegen an der Stirnseite des Tisches am weitesten entfernt vom Spielbrett sitzt. Dort konzentriert er sich auf Rot und Militär. Sabine sammelt ihre Karten recht ausgewogen. Brigitte vergisst, in der ersten Runde auf die Ernährung zu achten, im Gegensatz zu Peter, der voll auf die grünen Karten setzt. Das zahlt sich aus, mit knapp 200 Punkten steigt er als Sieger ins Auto, um nach Hause zu fahren.

Am wenigsten spiele ich mit Klaus und Gabie. Ich hoffe darauf, dass sich irgendwann noch einmal die Gelegenheit ergeben wird, mir Red Cathedral erklären zu lassen. Klaus ist am Partyspiel-Samstagabend bei einer Partie Codenames dabei. Doch auch mit seiner souveränen Ansage „Australien vier“ und einem klaren Vorsprung ist nichts zu machen. Carsten, Sabine und Florian sind unschlagbar. Gabie ergänzt die Runde beim ersten Kneipenquiz des Wochenendes. Sie ist die Einzige, die bei Pluralis sanitatis auf „Wie geht‘s uns denn heute?“ kommt.

Das Gespenst und die Weltgeschichte

Stille Post extrem ist auch wieder fein, mein Interpretationsvermögen allerdings ausbaufähig. Sabines sich putzende Katze, die Katzenwäsche symbolisieren soll, sieht definitiv wie ein kotzender Hund aus. Dafür komme ich bei ihrer Zeichnung von See und Pferd auf Seepferdchen – der einzige Begriff, der bis zum Ende korrekt bleibt. Aus Brigittes Zoo wird ein Waldkindergarten. Vielleicht, weil sie die Gehege weggelassen hat. An meinen Malkünsten muss ich auch noch arbeiten. Mein Homer Simpson mit Glubschaugen und Donut sieht für Tilo wie Frodo mit dem Ring aus. Und der verwandelt sich im Laufe der weiteren Stationen zu Hui Buh.

Das Schlossgespenst tritt am nächsten Abend noch einmal auf. Beim zweiten und letzten Kneipenquiz. Das schließt sich an das traditionelle Brief History of the World an. Diesmal mischen neben Carsten, Florian, Thomas S. und mir auch Thomas O. und Claudia die Karten der Weltgeschichte neu. So souverän Alexandra ihre Elefanten über die Alpen führt, Attila der Hunnenkönig seine Nachbarn heimsucht und Dschinghis Khan sich von der Mongolei aus ausbreitet, am Ende sind die 15 Armeen und drei Gratis-Forts der Gaia Julia Cäsaria spielentscheidend.

Zurück zu Hui Buh und den Kneipenquiz-Fragen: Unsere Kindheit ist zu lange her. Keiner erinnert sich daran, dass sich Ritter Balduin wegen Falschspiels aus Versehen selbst verflucht. Vermutlich weiß es Gabie, doch die ist da schon im Bett. Wieder scheitern wir auf der höchsten Stufe In your Dreams. Aber man sollte sich auch noch Ziele fürs nächste Jahr aufheben. Da ist das Gästehaus wieder vom 28. Oktober bis 1. November für uns reserviert. Vielleicht stoßen dann erneut ein paar nette Neuzugänge hinzu. Und hoffentlich klappt das Wiedersehen mit Ulrike und Joachim, die in letzter Minute absagen mussten. Wir haben sie vermisst. Und das Marco Polo 2, das sie mitbringen wollten.

Erlenhalle

Blanke Namen zum Ausklang

Was alles auf den Tischen in der Erlenhalle lag:
7 Wonders, A Fake Artist Goes to New York, Aeon’s End, All Bridges Burning (GMT), Anno 1800, Archipelago, Avalon, Barrage (Wasserkraft), Battlelore, Blackout Hong Kong, Bonfire, Brass – Birmingham, Brief History of the World, Castles of Tuscany, Caverna, Chicago 1875 – City of the Big Shoulders, Clever Hoch drei, Codenames, Come to Fishing Village!, Concordia mit Erweiterungen, Conquest of Paradise (GMT), Das Zepter von Zavandor, Decrypto, Der Widerstand, Die Crew – Mission Tiefsee, Die Siedler von Catan, Dominant Species (GMT), Ein Fest für Odin, Eine wundervolle Welt, Era of Tribes, Faiyum, Fantastic Factories, Flamme Rouge, Flash Point: Fire Rescue, Forgotten Waters, Fort Sumter (GMT), Funkenschlag, Gaia Project, Glen More II, Grand Austria Hotel, Great Western Trail, Hadara, Halle des Bergkönigs, Hallertau, Hansa Teutonica, Inhabit the earth, Just One, Kemet (Matagot), Kingdomino, King of Tokyo, Kitchen Rush, Kneipenquiz, Kokopelli, Krass kariert, Le Havre, LlamaLand, Lorenzo der Prächtige, Lost Ruins of Arnak, Lovecraft Letter, Machi Koro + Erweiterung, Mage Knight, Merv, Monumental, Navegador, Neom, Newton, Nova Luna, Oregon, Pact, Paleo, Pandoria, Pericles (GMT), Pitchcar Mini, Poison, Praga Caput Regni, Project L, Race for the Galaxy, Rajas of the Ganges, Red Cathedral, Renature, Res Arcana, Roll for the Galaxy, Root + Riverfolk, Saboteur, Sag’s mir / Familie, Schotten-Totten, Snowdonia, Space Base, Space Corp 2025-2300 AD (GMT), Splendor, Steam, Stille Post extrem, Switch and Signal, Tabu (Midnight), Tal der Kaufleute, Tekhenu, Tempel des Schreckens, Terraforming Mars mit allen Erweiterungen, The Mind, Tichu, Tiefseeabenteuer, Trans Europa, Underwater Cities, Vanuatu, Village, Watergate, Witchstone, Zirkadianer – erstes Licht.

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Fast schon vorbei

by Nicole

Willkommen zurück zur Nördspiel 2020, Ableger Vierkirchen! Dieses Jahr habe ich keine Angst, eine gute Partie zu verpassen, wenn ich mitten am Tag eine Runde radle, um Bewegung und frische Luft zu bekommen.

Fast-schon-vorbei-Tag: Es gibt Nördspiel-Teilnehmer, die verlassen das Hotelgelände fünf Tage lang kein einziges Mal. Die Terrasse betreten sie nur, um schneller in den Spieleraum zu kommen. Wir sind da anders. Mindestens einmal am Tag müssen wir raus, auf der Stadtmauer herumspazieren oder eine kleine Fahrradtour unternehmen. Zu Hause fehlt die Stadtmauer, also steigen wir aufs Rad.

Steam: Nördspiel ohne Eisenbahnspiel ist wie Kniffel ohne – ach, das hatten wir schon. Eisenbahnspiele sind jedenfalls essentiell für unseren Spaß an Brettspielwochenenden. Snowdonia zum Beispiel, aber auch Russian Railroads. Und natürlich Steam. Diesmal kommt Ted Alspachs Jamaika-Karte auf den Tisch. Weil die Insel so klein ist und es überhaupt nur sechs Städte gibt, von denen vier noch gebaut werden müssen, wird es unser schnellstes Steam ever, nach 45 Minuten und sechs Runden sind alle Würfelchen von der Karte weggeliefert. Das Spiel ist aus, ich bin Queen of Steam. Mit sagenhaften 14 Punkten. Florian, der diesmal bei einer symmetrischen Auslage vielleicht einen kleinen Startspielernachteil hat, kommt auf zwölf Punkte.

Nördspiel Vierkirchen, vierter Tag: Azul und Steam Jamaica

Nördspiel Vierkirchen, vierter Tag: Azul und Steam Jamaica

Azul: Allein schon wegen der Haptik spiele ich immer wieder gerne Azul. Es ist jedesmal ein kleines Erfolgserlebnis für mich, wenn ich am Rundenende einen Stein nach rechts schieben kann. Zu zweit ist es mehr ein taktisches Abwägen: Nimmst du das, nehme ich dies. Der Zufall spielt eine geringere Rolle als zu viert. Weil ich das nicht so abraffe, sammle ich in den letzten zwei Runden paar Minuspunkte zu viel. Ein gutes Gefühl war‘s trotzdem.

Vierkirchner Nördspiel 2020

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Fünf Partien

by Nicole

Wir sind gerade von unserem Jahresabschlussspaziergang zurückgekommen. Es war sonnig und erstaunlich mild. Wir gingen sehr langsam, die lange Wanderung von vorgestern steckte uns noch in den Knochen. Ideale Bedingungen, um ein ausführliches Jahresabschlussgespräch zu führen. Über Spiele. Mit dem Ziel, unser Spiel des Jahres zu benennen.

2008 hat Florian eine Liste angelegt mit all unseren Spielen. Inzwischen ist sie in der Papierversion auf neun Seiten angewachsen. Wurde ein Spiel in einem bestimmten Jahr gespielt, bekommt es ein Kreuzchen. In jeder Jahresspalte steht bei einem Spiel statt eines Kreuzchens ein SdJ – Spiel des Jahres. Im ersten Jahr war es Thurn und Taxis, im zweiten Agricola. Immer haben wir ein Spiel gefunden, das in dem Jahr etwas ganz Besonderes für uns war. Ob nun Die Burgen von Burgund 2012, Hanabi 2013 oder Codenames Duett 2018. Es musste keine Neuerscheinung sein.

So viele Kandidaten

Noch nie waren wir bei der Wahl unseres Spiels des Jahres so ratlos wie heuer. Das lag nicht an den insgesamt 629 analogen Mehrspieler-Partien. Die Zahl war in den Vorjahren ähnlich. Auch einen eindeutigen Spitzenreiter gab es: 66 Partien Die Crew reist gemeinsam zum 9. Planeten. Zu zweit sind wir bei Level 33. Wir haben es auch einen ganzen Abend lang in Emmering zu fünft gespielt. Oder zu dritt oder zu viert. Ein kooperatives Stichspiel mit gar nicht mal so schlechten Flavourtexten, das die Spieler vor zunehmend unlösbar wirkende Aufgaben stellt, die dann doch irgendwie bewältigt werden. Die Crew zählte auf jeden Fall zum Favoritenkreis, aber am häufigsten haben wir es zu zweit mit Dummy gespielt. Und in dieser Variante ist es zwar gut, aber am schwächsten.

32-mal haben wir Jump Drive von Tom Lehmann gespielt, Race for the Galaxy in schneller. Für Florian, der zudem seine Mittagspausen für etliche Solopartien nutzte, wäre es sein ganz persönliches Spiel des Jahres, für mich eine nette Abwechslung zu Race.

Ganz schön clever haben wir nicht erst 2019 entdeckt, aber auch oft gespielt, noch bevor es zum Regvor-Spiel gewählt wurde. 24 Partien reichen für Platz 3 im Jahresranking. Adventure Island spielten wir 23-mal mit Begeisterung, aber Regellücken und missratene Ausstattung lassen auch uns zögern, die wir alles andere als eine weltbekannte Jury sind.

22-mal haben wir uns dem Herr-der-Ringe-LCG gewidmet, das schon einmal unser Spiel des Jahres war, nämlich 2016. Einmal versuchten wir es zu dritt, in Nördlingen im Juni mit Tilo, dann wieder zu zweit ab 6. November. Wenn ich mich entscheiden müsste, welches Spiel für zwei Personen ich auf eine Insel mitnehme, würde ich sofort Herr der Ringe sagen. Mit sämtlichen Kampagnen natürlich. Doch zu dritt hat es nicht so richtig gezündet, was schade war.

Was ganz anderes

Fünfmal kam 2019 Steam bei uns auf den Tisch. Vernachlässigbar selten, könnte man sagen. Platz 30, zusammen mit Star Realms und Pairs. Aber jede einzelne Steam-Partie ist im Gedächtnis geblieben: Erst die Amerika-Karte von Ted Alspach im Juni in Nördlingen mit Thomas S. und Carsten. Dann am gleichen Wochenende die Rückseite des Plans – Europa. Ende August folgte Carstens selbst entworfene Alpen-Karte bei seinem ersten und hoffentlich nicht letzten Besuch in Vierkirchen. Carsten notierte sich die Erkenntnisse aus dem Test auf einem der Zettel mit blauem Fisch, die unser Lieblingsspieleversender netterweise oft zusätzlich ins Paket legt.

Es folgten die Brüssel-Karte bei einem Aufenthalt bei Thomas S. im September und schließlich beim ersten von mir organisierten langen Brettspielwochenende in Reimlingen nochmals die Alpen. Diesmal mit den Verbesserungen auf dem Fisch-Zettel. Tilo und Thomas B., der Steam inzwischen auch schätzt, haben mitgebaut. Thomas B. begann im Westen, in Frankreich. Tilo orientierte sich nach Osten und versorgte das Habsburgerreich mit Schienen, Florian verband München und Stuttgart, Carsten konzentrierte sich auf Po-Ebene und Piemont. Ich begann in Südtirol, also genau in der Mitte. Der Brenner war wieder mein – wurde aber zum zweiten Mal nicht zur Siegstrecke.

Steam

Unser Spiel des Jahres 2019: Steam

Von jeder Partie könnte ich ewig erzählen, etwa von Florians mitteleuropäischem Kreisel, dem Metrobau in Brüssel, der erfreulich für mich endete. Wie Tilo und Thomas B. auf den Flanken der Alpen großartig vorankamen und sich dann in der letzten Runde beim Wettbieten verzockten. Oder wie Florian mich auf der Amerikakarte in der ersten Runde vor einem folgenschweren Fehler bewahrte. Ich bin die einzige Frau in unseren Steam-Runden, kann nach wie vor nicht zählen – Florian würde sagen: die Gleisbaukosten zusammenrechnen – und genieße einen Bonus. Wenn ich sage: Zählt mal, dann wissen die Männer sofort, wie viel ich für meine Strecke zahlen muss. Dafür bin ich dankbar. Auch dafür, dass sie mir die richtigen Plättchen mit zwei, drei oder vier Ausgängen, engen und weiten Kurven oder übereinander verlaufenden Gleisen raussuchen.

Gefühlt waren es mehr als fünf Partien, und das nicht nur, weil wir auch einmal zu zweit Age of Steam auf der Alabama-Karte spielten. Oder weil Florian es fast ein wenig bereut, dass er nicht die Kickstarter-Deluxe-Neuauflage von Age of Steam mitfinanziert hat. Es wäre eine Grenzüberschreitung gewesen, die Kickstarterei ist nicht so das Unsere.

Steam war schon immer außergewöhnlich. Die Umbrien-Karte hat uns vor ein paar Jahren dazu inspiriert, nach Umbrien zu radeln. Dort liegen übrigens viel weniger Gleise als auf unserem Plan. Nun ist Steam unser Spiel des Jahres geworden. Und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem sich der Verlag Mayfair Games nach der Übernahme durch Asmodee praktisch in Luft aufgelöst hat und mit ihm das Spiel. Fürs Erste. Wir haben übrigens ganz dolli viele Spielpläne für ein bis sieben Personen und freuen uns über Steam-Besuch. Ich spiele am liebsten mit den orangen Lokomotiven.

Unsere Spiele des Jahres

Jetzt schon ein Halbklassiker: Radrennen und Reformation in Reimlingen

by Florian

Es war einmal ein gar nicht so fernes Land, dem fiel der Himmel auf den Kopf. Außen herum freuten sich alle: Das Land war nun flach und rund wie ein Pfannkuchen. Es hatte fruchtbare Böden und ließ sich leicht bebauen. Die Leute siedelten dort, sie pflanzten Dinkel und Flachs und Rüben und nannten es das Ries.

Das Land war flach, bis auf einige merkwürdig geformte Hügel. Auf einen davon stellten die Menschen ein Schloss, das hieß Reimlingen. Während die Jahrhunderte vergingen, kamen sie immer wieder im Herbst in Reimlingen zusammen und unterhielten sich. Die eine las Gedichte vor, ein anderer einen Brief, den er erhalten hatte. Nachdem sie so vorgelesen hatten, erzählten sie sich Erlebnisse und alte Geschichten.

Um die Tradition aufrechtzuerhalten, entstand gegenüber dem Schloss im Jahr des Herrn 1922 ein neubarockes Bildungshaus. Hier war es, dass im Oktober 2019 eine Schar von Spielern zusammenkam. Sie aßen Kekse aus einem gläsernen Topf, von dem viele dachten, dass er keinen Boden habe, aber dann ging der Vorrat doch zu Ende. Sie nahmen Apfelschorle und Wasser von einem Bord, Wein und Bier aus einem Schrank, und o Wunder, am nächsten Morgen waren Bord und Schrank wieder voll.

So konnten sich diese Gäste zu Reimlingen ganz ihrer Beschäftigung widmen: dem Spielen. Und es ergab sich aus dem Verlauf ihrer Partien so manche Geschichte voller Überraschungen und Wunder, die es mit den Erzählungen aus alter Zeit aufnehmen konnte.

Ave im Colosseum

Die erste Stunde waren wir zu dritt in Reimlingen: Nicole, Sabine und ich. Wir hatten zwei kurze Sachen gespielt, um die Wartezeit überbrücken. Nun fingen wir Colosseum an. Es gilt, im römischen Theater Veranstaltungen durchzuführen und möglichst viele hochrangige Besucher anzulocken. Je mehr, desto besser. Die meisten Punkte gibt der Kaiser.

Wie es immer ist: Kaum dass wir angefangen hatten, trafen die ersten und dann immer mehr Leute ein. Wir sahen kurz auf und begrüßten, Nicole informierte über Essenszeiten und dergleichen, ohne die Partie ganz aufzugeben. Colosseum ist ein hübsches Spiel. So kam es, dass eine Reihe Mitspieler zusah. Bei der nächsten Wertung forderte ich Bonuspunkte für die Zuschauer, die zwar nicht in meine Arena gekommen waren, aber doch unseren Tisch umstanden.

So viele Zaungäste hatte wohl am ganzen Wochenende keine Partie mehr, aber angenehm an unserem hellen, großen Raum fand ich, dass man sich mit einem Blick orientieren konnte, was die anderen gerade so auf dem Brett hatten. Es war nicht möglich, sich in einem Nebenraum von Geräuschen abzuschotten, aber dafür kommunizierte es sich leicht. Nach einer kleinen Pause Mitspieler zu finden, war kein Problem. Nicole hat mir begeistert erzählt, wie schön sie es fand, mit einer Latte macchiato in der Hand in den Spieleraum zu kommen und von Sabine angestrahlt zu werden: „Bei uns wär noch ein Platz frei.“ Bubu lag auf dem Tisch: eines ihrer Lieblingsspiele.

Ahnungslos in Besançon

Vielen wird zu Ohren gekommen sein, dass Martin Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen zur Reformation der Kirche an der Tür der Schlosskirche zu Wittenberg aushängte. Von den zeitgleichen Sorgen Karls des Fünften wissen weitaus weniger Menschen. Am Folgetag, dem 1. November 2019, ging er auf den Mauern der uneinnehmbaren Festung von Besançon auf und ab. Nachdem er lange nachgedacht hatte, traf der Herrscher über das Habsburgerreich, in dem die Sonne nie unterging, seine Entscheidungen. Es waren schlechte Entscheidungen. Wie es Politikern eben zu gehen pflegt, schätzte er die Weltlage falsch ein.

Er hatte keine Ahnung. Das lag daran, dass ich dieser Habsburger war. Weil ich noch eine Partie Splendor angefangen hatte, während die anderen frühstückten, verteilten sie ohne mich die Reiche. Ja, ich spielte Karl den Fünften. Ich stand überall, war jedermanns Nachbar, jedermanns Feind. Ich nahm Metz ein, erzürnte die Franzosen, flüchtete mich nach Besançon, in meine prächtige Lieblingsstadt am Flusse Doubs. Dort konnte mir nichts geschehen. Vaubans Verteidigungsanlage war uneinnehmbar. Aber ich hatte Zeit vertrödelt. Aus dem Osten kamen die Osmanen.

Die Osmanen kamen übers Mittelmeer. Meine Flotte war zu klein. Sie bestahlen mich, ich fütterte sie mit Siegpunkten und Karten. Sie rückten nun auch über Land vor, standen vor Wien. Ich hatte nicht genug gerüstet. Sie eroberten Wien, die Bürger erhoben sich gegen die Fremden in der Stadt. Das war eine Falle, die ich gestellt hatte – eine aufgehobene Karte. Leider eine Runde zu kurz aufgehoben. Wenn ich sie eine Runde später gespielt hätte, wäre es den Osmanen an den Kragen gegangen und Wien wäre wieder habsburgisch gewesen. Aber so konnten die Osmanen die Stadt ein zweites Mal erobern, ihre Nachschublinie sichern.

In der Zwischenzeit ging es hoch her. Luther, Zwingli, Calvin und Hobbes Bucer argumentierten, polterten, übersetzten Testamente. Die aufeinanderfolgenden Päpste, alle gespielt von Thomas O., exkommunizierten. In England drüben heiratete Heinrich der Achte dreimal, bis er endlich einen Sohn hatte, und freute sich über den Eifer der Reformatoren in seinem Land, der ihm geschenkte Siegpunkte brachte.

In der letzten Runde schlug ich endlich einmal zurück gegen meinen Plagegeist. Wien blieb verloren, aber ich scheuchte die Schiffe der osmanischen Piraten. Ich reduzierte ihre Flotte, und ich nahm ihnen Athen. Es war ein rasantes Finale, doch nicht mehr als ein Achtungserfolg. In der Punktwertung wurde ich Letzter. Bodo gewann mit Frankreich knapp vor Tilo als Luther und Thomas B. als Henry VIII.

Das Spiel, das wir spielten, heißt Here I Stand, nach Luthers berühmten Diktum auf dem Reichstag von Worms: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Es dauerte von 10 bis 22 Uhr, einschließlich Regelerläuterungen. Es war ein Erlebnis, und ich verstehe die Begeisterung mancher Mitspieler gut, aber ehrlich gesagt: Es war mir zu lang. Schließlich gehe ich ganz gern einmal am Tag vor die Tür und bewege mich ein Stündchen. Ich bin sicher auch nicht der geduldigste Spieler, das merke ich jedes Jahr bei der Regvor.

Warum lief es so lang? Wir spielten zu sechst. Drei der Mitspieler waren Neulinge, darunter ich. Wir fragten immer wieder nach, uns fehlten Details, uns fehlte die Übersicht übers Ganze. Aber Here I Stand ist so komplex, dass selbst die drei Regelexperten bisweilen minutenlang in der Anleitung blätterten.

Dann gibt es auch noch Verhandlungsphasen. Die waren aber gar nicht das Problem, sie wurden in weiser Voraussicht zeitlich streng begrenzt. Ich persönlich hatte nicht viel zu verhandeln. Dazu fehlte mir zu sehr der Überblick. Dieses Element will mir auch nicht recht zu diesem komplexen Spiel passen. Ich mag Verhandlungsspiele sehr. Erfolgreiche Verhandlungsspiele haben aber typischerweise sehr einfache Regeln, damit die Spieler sich auf ihre Allianzen und Verträge konzentrieren können. Ich denke an Diplomacy.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die beiden Ebenen, die Here I Stand zu verbinden sucht: die militärische und die konfessionelle Eroberung. Es bleibt beim Versuch: Über weite Strecken laufen diese Eroberungen parallel, ohne sich zu berühren. Als geplagtem Habsburger war es mir fast egal, dass meine Bevölkerung lieber evangelisch sein wollte. Außerdem scheint es einen blinden Fleck im System zu geben: Der Islam spielt nicht mit. Wien wurde von den Osmanen besetzt, aber es blieb lutherisch.

Schließlich finde ich es schade, wenn die Narration, die historische Erzählung, die Here I Stand so faszinierend macht, unter einem Regelbrei verschwindet. Am nächsten Tag spielten wir A Brief History of the World. Das hat natürlich einen ganz anderen Maßstab, ist strategisch und taktisch viele Stufen harmloser, und ich will es nur insofern mit Here I Stand vergleichen, dass hier die Erzählung schwungvoll voranschreitet. Sollte es nicht möglich sein, auch die Geschichte der Reformation in einem Spiel ohne Stocken vorzutragen? Wenn das ginge, wäre ich gern dabei.

Here I Stand und Steam in Reimlingen

Here I Stand und Steam in Reimlingen

Der dritte Tag ohne Achim

Um es schlicht und streng festzuhalten: Achim ist nicht gekommen. Und ich will wie selbstverständlich hinzufügen: Er hatte gute Gründe.

Neun Zimmer konnten die Spieler sich in Reimlingen sichern, dazu einen Spieleraum hell und warm mit großen Fenstern, um die die Maler nebenan sie beneideten. Doch mehr hätten sie gebraucht. Maddie und Thomas und Dietmar mussten auswärts schlafen. Sie kamen nur zum Spielen und blieben, wenn sie wollten, zum Essen. Peter hatte wenigstens bis Freitag ein Zimmer im Bildungshaus. Am dritten Tag der Veranstaltung hätte er ausziehen müssen. Nur Christina und Rüdiger hatten kein Zimmer und wollten auch keins. Rüdiger wohnt in Nördlingen, vier Kilometer vom Tagungshaus entfernt. Sie blieben gern Tagesgäste.

Die neun Zimmer waren zu knapp. Und doch blieb eines leer. Es war das Zimmer von Thorsten und Achim. Thorsten war verhindert, das wussten wir. Von Achim wussten wir es nicht. Wir wussten überhaupt nicht viel. Er war der einzige angemeldete Teinehmer, den wir nicht kannten. Wir waren gespannt auf Achim.

Es war Mittwochabend. Nur Achim fehlte noch. Die Rezeption schloss, Nicole bekam Achims Zimmerschlüssel. Sicherheitshalber, falls er noch auftauchte. Achim kam nicht.

Es wurde Donnerstag. Als wir beim Essen zusammensaßen, wunderten wir uns. Am Abend machten wir uns Sorgen. Was mochte Achim zugestoßen sein?

Dann traf eine Nachricht ein, wenn auch nicht von Achim. Wir hörten, dass Achim mit gutem Grund am Vortag nicht gekommen war. Und dass er heute kommen wollte. Heute war fast vorbei. Niemand konnte Achim erreichen.

Es wurde Freitag. Wir frühstückten. Uns fiel auf: Es war der dritte Tag ohne Achim.

Es wurde Mittag. Achim kam nicht. Aber er meldete sich. Er hatte gute Gründe. Sein Zimmer spendete er. Es stand nicht mehr leer. Peter konnte bleiben. Leer blieb nur das Zimmer in Peters Pension.

Es wurde Samstag. Es wäre der vierte Tag ohne Achim gewesen, aber das bemerkte keiner. Wir haben ihn nicht kennengelernt.

Spaß am Spiel

In Reimlingen lagen alte und neue Spiele auf dem Tisch. Irgendeiner konnte immer die Regeln erklären. Nur bei Marco Polo II nicht. Peter hatte es frisch von der Messe in Essen mitgebracht. Er und Nicole pöppelten dankbar die Stanztafeln aus, während Carsten die Regeln studierte.

Es gab kurze und lange Spiele. Das Zepter von Zavandor gehört beiden Kategorien an. Es dauert nämlich Sabine zufolge eine Stunde. Also ein kurzes Spiel? Brigitte präzisierte: eine Stunde pro Mitspieler …

Eigentlich eine tolle Sache, wenn man 150 oder 200 ganz verschiedene Spiele zur Auswahl hat, auf Tischen an der Wand ringsum in Kisten gestapelt, geschichtet, gestopft. Da sollte doch für jeden etwas dabei sein?

Ja, nein, ähm, nicht ganz. Je länger die Leute spielen, desto stärkere Eigentümlichkeiten und Einschränkungen, Vorlieben und Vorurteile haben sie. Ich ganz besonders. Ich brauche bisweilen auch Abwechslung, um meinen Kopf auszuruhen. Es ist wirklich schwierig mit mir.

Besonders einmal. Das war am Donnerstag. Ich hatte am Morgen mit Maria ein nicht ganz triviales strategisches Spiel erstmals gespielt. Dann war mein Kopf voll. Nach dem Mittagessen hatte ich mich für anderthalb Stunden Radfahren absentiert. Nun stand ich mit Heiko, Thomas B. und Carolin, die ebenfalls für eine Partie offen waren, vor den Stapeln und Kisten. Aber es wollte sich partout nichts finden, was allen getaugt hätte. Einen gab es immer, der dazu keine Lust hatte – oder „nur im Notfall“.

Insbesondere neigen Thomas und Heiko zu ernsten langen, Carolin und ich zu kurzen lustigen Spielen, wie ich mal verallgemeinernd sagen will, auch wenn es Ausnahmen gibt und die Definitionen da weit auseinandergehen. Als alle meine Vorschläge abgeschmettert wurden, als immer mehr Strategiehämmer genannt wurden und ich schon ein dutzendmal gesagt hatte, das sei mir jetzt zu anstrengend, verfiel ich auf eine neue Argumentation: „Das ist nichts für Carolin.“

Es ist natürlich kein guter Stil, die vermutete Meinung anderer vorzuschieben, um die eigene Position zu stärken. Zum Glück ist Carolin nicht nachtragend. Dummerweise nannte Thomas dann ein Spiel, ich weiß nicht mehr welches, das nach meiner Meinung auch nichts für Carolin war. „Das finde ich eigentlich ganz gut“, widersprach Carolin lachend.

Wir einigten uns letztlich auf ein Mittelgewicht: London. Im Laufe der fünf Tage Reimlingen waren unter den leichten, lustigen Spielen das Rennen Lemminge und das kooperative Stichspiel Die Crew besonders beliebt. Lemminge spielte sogar Thomas S. zweimal, der es sonst möglichst komplex mag. Bei Katakomben dagegen, eigentlich ein Spannungs- und Lachgarant, wenn auch mit langer Spielzeit, ging es uns allen wie einem Querfeldeinläufer, der stolpert und mit dem Gesicht voraus in die Pfütze fällt. Wir hatten wohl nicht die richtige Runde beisammen.

Immer von neuem überrascht mich Lovecraft Letter – in Reimlingen wieder. Das ist eine etwas strategischere Loveletter-Variante, die mit einem Minimum an Entscheidungen auch unter Vielspielern zündet. Beim Versuch, einem Mitspieler einen Gehirnzylinder in den Kopf zu schrauben, hatte etwa Heiko großen Spaß.

Tichu ist sicher kein Spiel für jeden und sorgt auch nicht für lautes Gelächter, ich habe unsere ruhige Samstagnachmittagsrunde aber als ein Highlight erlebt. Sabine und Nicole traten gegen Brigitte und mich an. Im entscheidenden Spiel sagte erst ich, dann Sabine Tichu an. Ein einziger Stich entschied, wer zuerst die tausend Punkte überschreiten sollte. Ich sage herzlichen Glückwunsch, denn wir waren es nicht.

An den Abenden punkteten Just One und Codenames, aber das Konsensspiel nach 23 Uhr war doch immer wieder das Kneipenquiz. Am letzten Abend wollten wir es wissen. Mit „In your dreams“ wählten wir die schwierigste Stufe. Schließlich hatten wir vielerlei Kompetenzen am Tisch: Tilo wusste, dass Max Frisch Architekt gewesen war und Freibäder gebaut hatte. Peter war bekannt, dass ein Belebungsbecken nicht ebendort, sondern in einer Kläranlage zu suchen ist. Und wie oft Elizabeth Taylor verheiratet war, beantworteten zwei Damen gleichzeitig wie aus der Pistole geschossen: „Achtmal!“

Die Vorleser wechselten. Marcus und Carsten ließen ihre sonoren Stimmen erklingen. Es konnte nichts schiefgehen. Oder doch?

Wir scheiterten um einen einzigen letzten Schritt. Wir hätten nur richtig beantworten müssen, wie der europaweit größte Autohof heißt, der zwischen Nürnberg und Würzburg liegt. Ich fahre selten Auto, aber ich kenne den Steigerwald gut. Ich schlug Geiselwind und Herzogenaurach vor. Wir rieten Herzogenaurach. Geiselwind wäre richtig gewesen.

Der König der Eisenbahn und andere Sieger

Dabei sein ist alles, na klar, aber letztlich kommt doch immer wieder die Frage: Wer hat gewonnen?

Die in Kriegsspielen erfolgreichste Nation des Wochenendes war vermutlich Frankreich. Mit der Tricolore in der Hand triumphierte ich in Maria und Bodo in Here I Stand. Vive la France!

Wie sah es mit Einzelpersonen aus? Nicole hat wahnsinnig oft gewonnen an dem Wochenende. Dietmar bestimmt auch. Aber der König der Eisenbahn war diesmal Carsten. Schon als er in Russian Railroads Erster wurde, sagte er, jetzt könne er beruhigt nach Hause fahren, tat es aber nicht, sondern machte auch noch den ersten Platz in 1844 Schweiz und auf gleichem Terrain in Steam, als wir die Alpenkarte ausprobierten, der er selbst vor mehr als 15 Jahren zusammengepuzzelt hat. Es lag wohl an seiner genauen Kenntnis des Geländes.

Was mich selbst angeht, hat mich mein Sieg in Brief History of the World überaus gefreut. Das Spiel macht mir großen Spaß, aber bisher landete ich immer im hinteren Teil des Feldes. Diesmal habe ich die richtige Welle erwischt.

Der Sieg, um den ich einen anderen am meisten beneidete, war der von Thomas B. im Radrennspiel Flamme Rouge. Im rosa Trikot schloss er den Bergaufsprint so souverän ab wie Julian Alaphilippe im vergangenen Frühjahr die Strade Bianche.

Die nächste Saison

Um metaphorisch beim Radsport zu bleiben: Reimlingen war das dritte Herbsttreffen. Die von Marcus gegründete Veranstaltung kann jetzt schon als Halbklassiker gelten und gehört fest zum Rennkalender.

Auch wenn das Tagungshaus in Reimlingen nächsten November keinen Platz für uns hat, hoffe ich, 2020 dennoch wieder am Start stehen zu können. Psst: Ich habe heute ein Telefonat auf unserem Flur belauscht, und ich kann euch verraten: Es könnte andernorts was werden …

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August 2019: Blitz, Dampf und Zauberverse

by Florian

Im August haben
wir ab und zu gespielt.
Dann kam Carsten.

Jump Drive

Das nennt man Fortschritt:
Jump Drive dauert halb so lang
wie Race – schwups – vorbei …

Res Arcana

Totenbeschwörung
ist für Zauberlehrlinge
die Top-Strategie.

Snowdonia

Ich wollte doch noch
so viele Gleise bauen
bei dem schönen Wetter!

Steam

Carstens Alpenplan
war für Age of Steam gedacht.
Ist uns doch egal.

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So viel zu wenig Zeit

by Nicole

Vindication und Herr-der-Ringe-Kartenspiel mit Tilo, Speicherstadt, Endeavor, Snowdonia und natürlich Race for the Galaxy mit Thomas, Goa, Fürsten von Florenz und A Brief History of the World mit Carsten, Steam sowohl mit Thomas, als auch mit Carsten: Flori und ich haben ganz schön viele Verabredungen getroffen für die vier Tage, die Nördspiel 2019 dauert. Wir halten sie längst nicht alle ein, genießen aber auch andere Spiele, ich Azul, Gaja Project und Thurn und Taxis, Flori sein geliebtes Dungeon Saga.

Das geht gar nicht alles

Nach 115 heißen Radkilometern schaffen wir es am 19. Juni, rechtzeitig zu Michaels Rede um 17.30 Uhr den großen und hellen Raum im Jufa-Hotel zu betreten, der bis Sonntag unser Lieblingsaufenthaltsort sein wird. Michael hat nicht nur wieder alles top organisiert und dazu eine tägliche Versorgung mit Gratiswasser herausgehandelt. Er denkt auch schon an 2020 und 2021. Als das Brainstorming vorbei ist, gibt es Essen. Nach dem Gulasch geht für uns die Spielerei los. Um nicht in den To-do-Listen-Modus zu verfallen, starten wir mit Nusfjord. Einem Rosenberg-Spiel, dem Thomas eine zweite Chance gibt und das Tilo gerne lernen möchte. Tilo versteht schnell und hat am Ende am meisten aus Fisch, Holz und Gold gemacht.

Danach wollen Tilo, Flori und ich unsere Herr der Ringe-Decks erst mal nur zusammenbauen, dann probieren wir sie doch gleich aus und stürzen uns „In die schwarze Grube“. Nicht einmal mein Lieblingszwerg Dain Eisenfuß kann uns im Angesicht der vielen Orte helfen, die wir erkunden müssten. Wir scheitern, verbessern unsere Decks – und spielen bis zum Abschiednehmen am Sonntag kein einziges Mal mehr Herr der Ringe.

Nicht, weil wir nicht wollen. Es gibt nur so viele andere Spiele zu spielen. Tilo zum Beispiel hat zwischendrin eine ganztägige Kolonisten-Verabredung. Uns steht mehr der Sinn nach Kürzerem. So wie Steam. Dazu kommen wir sogar zweimal. Erst beliefern wir Ted Alspachs „America“ mit Warenwürfeln, immer nur einen pro Runde. Auf der Karte startet man mit Lokreichweite sechs, was alles leichter macht. Ich komme inzwischen mit dem Addieren der Streckenbaukosten besser zurecht, mache es mir an der Westküste gemütlich und freue mich wie ein Schnitzel, als ich am Ende vor den drei Eisenbahnspiel-Profis lande.

In der zweiten Partie am übernächsten Tag probieren wir die Rückseite aus und tun uns in Alspachs „Europe“ um, wo die Donau nicht durch Wien fließt. Carsten erschließt die iberische Halbinsel, ich baue den Tunnel nach Großbritannien als essentiellen Bestandteil meiner Direktverbindung Dublin-Sarajewo. Am besten jedoch funktioniert Floris mitteleuropäischer Kreisel.

Ein Race geht immer

Was immer geht, ist ein Race. Um zu überbrücken, dass Tilo noch frühstückt, während Thomas und ich auf seine Erläuterungen zu Vindication warten. Schließlich kegeln wir uns selbst aus der Kickstarter-Runde, doch unsere Plätze sind schnell besetzt. Thomas gewinnt die zweite Race-Partie, dann zeigt uns sein Sohn Florian, wie man Endeavor spielt, mit Kolonien-Erweiterung.

Ein weiteres Race findet statt, weil Thomas noch in einer Game-of-Thrones-Kartenspiel-Partie steckt und die A Brief History of the World-Runde auf ihn warten muss. Zur Strafe bekommt er Grün. Gelb habe ich mir gesichert. Ich spiele dieses Rumklopp- und Dumme-Sprüche-reiß-Spiel zum dritten Mal und zum ersten Mal zu sechst. Zur Brief-History-Besetzung aus dem Herbst haben sich Thomas K. und Thomas B. gesellt.

Wir weichen ein klein wenig vom historischen Vorbild ab. Diesmal ist es Alexander der Große, der die Elefanten über die Alpen treibt. Die Chinesische Mauer bleibt ungebaut, weil sich dort gerade die Falschen niedergelassen haben. Die Turanian Plain bekommt zwei Epochen lang null Aufmerksamkeit, dann entwickelt sie sich zum Hotspot. Ragnar-Mausi Lodbrok kann zwar mit seinen sechs Wikinger-Armeen nicht viel reißen, schickt aber den Schwarzen Tod voraus und nimmt dann ein leeres Europa ein. Dschingis Khan reitet zur Musik der gleichnamigen Band durch die Steppe, was die Ganz schön clever-Runde am Nebentisch ein wenig irritiert. Und schließlich findet die letzte Epoche ohne die Deutschen statt, als ob sie nicht den Ersten und Zweiten Weltkrieg losgetreten hätten.

Fünf spielen Brief History

Late Night History of the World

Mitternacht ist vorbei, als die Japaner ihre letzten Punkte gezählt haben. Zeit für den Absacker der Nördspiel 2019: Just One. Erobern hat Geisteskraft gekostet. Mit Glück schaffen wir es, nicht mit null Punkten aufzuhören. Glück ist zum Beispiel, dass Thorsten aus „Ereignis“ und „Thesen“ nach etwas Nachdenken „Reformation“ folgert. Die beiden identischen Hinweise, die ihm vorenthalten werden, lauten übrigens nicht etwa „Luther“, sondern „Zwingli“. Ich hätte mit dem Namen des Schweizers nichts anfangen können. Ich hatte aber auch schon in einer anderen Runde massive Probleme mit „Zungenreden“ und „Vézelay“. Letzterer Begriff wies auf einen gemeinsamen Urlaub von Flori und mir hin. Vergebens, ans Tympanon mit dem Pfingstwunder konnte ich mich partout nicht mehr erinnern. Hilfreicher waren „christlich“, „Montag“ und „Schulferien“.

Just One ist wunderbar dynamisch und kommt ohne große Grübeleien aus. Decrypto ist da ein anderes Kaliber, Codenames kombiniert mit Captain Sonar. Es ist das letzte Spiel des Wochenendes, nach unserem heißgeliebten Snowdonia. Mit Florian, der entschieden besser Kontinente in Endeavor entdecken kann, als das bisschen Geröll auf dem Weg zum Mount Snowdon wegzuräumen. Carsten nutzt die Partie zur Vorbereitung seines nächsten Urlaubs. Zumindest im Spiel herrscht überwiegend Nebel. Thomas und Flori holen sich diesmal die fähigsten Arbeiter aus dem Pub und kommen als Einzige über 100 Punkte.

Zurück zu Decrypto: klasse Sache. Muss ausgebaut werden. Also, Carsten, bring es bitte unbedingt im Herbst nach Reimlingen mit!

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März 2019: Allein auf der Wiese

by Florian

Im März haben wir die ersten Partien von Hadara und Die Tavernen im tiefen Thal gespielt, denn in Emmering trainiert man für die Deutsche Meisterschaft. Und wenn ich über diese hoch gehandelten Neuerscheinungen etwas schriebe, würden sich vielleicht mehr Leute für diesen sonst so ruhigen Blog interessieren.

Aber der März war der Monat nach dem Wettbewerb. Ein ruhiger Monat. Ein Monat für kooperative Spiele und Solo-Varianten.

Roll Player, Steam, Adventure Island

Carcassonne

Carcassonne für eine Person geht ganz einfach: Fang in der Mitte an. Bau ein Feld aus 7 mal 7 Plättchen. Das Spiel endet mit dem letzten, oder wenn du das dritte Plättchen beiseite legen musst, weil es nicht passt. Ab 130 Punkten zählt es als Sieg.

„Carc Island“, so heißt die Variante, hat einige Vorteile gegenüber dem Standardspiel. Erstens entsteht eine geschlossene Landschaft. Ästhetisch stören mich die Lücken, für die gute Carcassonne-Spieler mit fiesen Zügen bewusst sorgen.

Zweitens dauert „Carc Island“ eine Viertelstunde. Das passt gut in die Mittagspause. Und drittens macht mir auf der Insel keiner die Wiesenwertung streitig. Ich muss nur rechtzeitig daran denken, einen Bauern abzulegen.

„Carc Island“ ist jetzt mein zweitliebstes Carcassonne. An erster Stelle steht das steinerne Original.

Age of Steam: Barbados

Ich kickstarte keine Spiele, aber dass gerade eine neue Version von Age of Steam vorfinanziert wird, ist mir nicht entgangen. Zehn Karten sind dabei. Toll sieht sie aus.

Während die Unterstützer noch Monate und vielleicht Jahre warten müssen, bevor sie für ihr Geld etwas bekommen, habe ich die Gelegenheit genutzt, mal wieder die Solo-Karte Barbados von Ted Alspach zu spielen – und zwar erstmals nach den Age-of-Steam-Regeln statt denen des Nachfolgers Steam.

Ja, es ist kompliziert: Nach einem Rechtsstreit der Autoren gibt es zwei sehr ähnliche Spiele, Age of Steam oder kurz AoS von John Bohrer und Steam von Martin Wallace. Das ist jetzt auch schon wieder Jahre her. Ich will da keine toten Hunde ausgraben. Oder wie geht der Spruch?

Nur eines kann man ohne Versteigerungen spielen. Nur eines erlaubt es den Spielern, Kredite zurückzuzahlen. Der entscheidende Unterschied ist aber nach meiner Ansicht, dass AoS einen automatischen, zufallsgesteuerten Warennachschub vorsieht, während bei Steam die Spieler alles selbst in der Hand haben. Für eine Solo-Karte wie Barbados bedeutet das: In Steam könnte man ab Runde eins die komplette Partie durchplanen, wenn man den Kopf dafür hätte. Es ist ein Rätsel ohne Unwägbarkeiten. Dass man überhaupt noch spielt, liegt an der Unübersichtlichkeit des Entscheidungsbaums.

AoS ist anders: Ich weiß von Anfang an, wo welche Waren landen müssten, aber nicht, ob und wann. Ich muss meine langfristige Planung anpassen, muss reagieren. Und jetzt, da ich beides ausprobiert habe, weiß ich: Solo gefällt mir AoS mit seinem taktischen Element wesentlich besser. Wenn ich keinen Mitspieler habe, der mich zum Improvisieren zwingt, muss es der Zufall tun.

Adventure Island

Hier endet der Solo-Teil des Monatsrückblicks. Das kooperative Adventure Island von Lukas Zach und Michael Palm könnte man zwar solo spielen, indem man mindestens zwei auf einer Robinson-Insel gestrandete Charaktere übernimmt. Ich habe das aber nicht probiert. Nein, Nicole und ich haben Adventure Island zu zweit durchgespielt. 14 Partien haben wir gebraucht, um alle fünf Szenarien zu bestehen.

Wie der Name schon sagt: Es ist ein Abenteuerspiel. Es lebt von der Überraschung, von Karten und Ereignissen, die man nicht kennt. Von Würfelproben, deren Ausgang spannend ist. Wer strategische Entscheidungen erwartet, wird nicht glücklich werden.

Ich habe eine Geschichte und Überraschungen erwartet. Beide Hoffnungen wurden erfüllt. Nach der ersten Partie war ich begeistert. Adventure Island ist das Spiel, das TIME Stories sein wollte. Spannender, einfacher, eleganter.

Aber dann wurde es schwieriger. Schwierigere Aufgaben, das fand ich gut. Die komplexeren Karten weniger. Texte mit Lücken, halb ausformuliert in der Kürze, die Karten halt erfordern. Nein, das ist nicht „bei einem solchen Spiel immer so“, wie es irgendwo auf Boardgamegeek entschuldigend heißt. Fantasy Flight Games macht es (meistens) vor: Auch kurze Kartentexte können eindeutig sein.

Am Ende würde ich also doch nur drei von fünf Sternen vergeben. Oder nein, sagen wir vier, mit einem Extra-Sternchen: Auf Twitter hat einer der beiden Autoren, Michael Palm, geduldig meine Regelfragen beantwortet.

Roll Player

Super Wortspiel, oder? In diesem Spiel würfeln wir uns wie in D&D-Tagen mit 3W6 eine Rollenspielfigur aus. Nicht wirklich … aber das ist das Spielthema. „Roll Player“, hahaha!

Nicole und ich haben noch einen draufgesetzt. Es begann nämlich mit dem Entschluss, mal den Spieleladen Gunship Games in Freising zu besuchen. An einem sonnigen Märzsamstag. Mit den Rädern.

Hat jemand von euch schon mal einen gutsortierten Spieleladen zum ersten Mal aufgesucht und nichts gekauft? Genau, wir auch nicht. Die Entscheidung fiel auf Roll Player. Wir packten es in die Ortliebtasche und radelten heim, um loszuspielen. Und die ganze Zeit sangen wir auf unseren Ledersätteln: „Rolling, rolling, rolling …“

Tatsächlich beschreibt das aus Blues Brothers bekannte Lied „Rawhide“ das Spiel ganz genau. „Move’em on, head’em up, head’em up, move’em on“: Würfel werden genommen, platziert, umgedreht, manipuliert und wieder und wieder umgesetzt. Am Thema vorbei serviert Autor Keith Matejka uns eine komplexe Rechenübung: „My heart’s calculatin'“. Nur das Versprechen „My true love will be waitin‘, be waitin‘ at the end of my ride“ stimmt so nicht. Am Ende haben wir eine neurotische, mit einer Armbrust bewaffnete und in Kettenrüstung gekleidete Zwergin, die auf dem Bauernhof aufgewachsen ist. Damit endet das Spiel. Wir kassieren Belohnungpunkte. Nicht mehr, nicht weniger.

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