Spielen in Vierkirchen

Brett- und Kartenspiele im Norden von München

Tag: Roll for the Galaxy

Eigentlich

by Nicole

2016 ist das Jahr der Brettspiel-Wochenenden. Es ist nicht das „Hurra, wir fahren nach Herne“-Jahr. Eher: Jetzt reicht es erst mal mit der Regvor. Es ist auch das Jahr, in dem ich eine Buchstabenkombination kennen und schätzen lerne, die ich mir nicht merken kann. Irgendwo zwischen CSU und LGBT, nur dass es um Spiele geht. 2016 ist ein gutes Jahr.

Yucata in Wiesbaden und Baden in Kempten

Es beginnt mit „Yucata offline“ im Januar in Wiesbaden, organisiert von Veda Ssu. Lauter nette Menschen, mit denen ich bisher nur online auf yucata.de gespielt habe. Dazu ein paar, die dort nicht vertreten sind, aber auch nett und gerne spielen. Wenn man Bo nach seinem Lieblingsspiel des Wochenendes fragt, dürfte es auf Katakomben hinauslaufen. Jedenfalls muss es sein Vater gleich danach kaufen. Für mich ist es Codenames. Den ganzen Sonntag spielen wir in wechselnden Besetzungen. Unvergessen ist Morgentoilette zwei – Wasser, Gesicht.

Die Regionalvorentscheidung zur Deutschen Brettspielmeisterschaft im Februar läuft nicht wie erhofft. Ich mag nicht mehr. Schade, dass im Herbst für 2017 zum ersten Mal seit meinem Debüt 2014 vier Spiele ausgewählt werden, die ich alle richtig gut finde.

Im Mai geht es weiter mit dem Kempten-Wochenende des Brettspieltreffs Stuttgart. Florian radelt mittwochs hin und gehört zu den Ersten. Ich bin noch bei „Lucia di Lammermoor“ und komme am Donnerstag per Zug nach. Es ist heiß, und das Schwimmbad liegt nebenan. Trotzdem schaffen wir es nur mit Mühe, einmal täglich ins Wasser zu hopsen. Die Berge außenrum bleiben unerwanderte Kulisse der Schafkopfrunden auf der Hotelterrasse. Schafkopf wird immer dann gespielt, wenn Peter und Carsten aus der 18er-Runde verschnaufen müssen. Florian und ich gehören nicht dazu, knabbern aber auch gerne ein paar Salzbrezeln zwischen Mombasa, Snowdonia, 7 Wonders, natürlich wieder Codenames und Nebel über Valskyrr.

Jahresende im Hochformat

Anfang September besucht uns Thomas aus Stuttgart. Wieder zweieinhalb Tage Spielen, dazu eine kleine Radtour in den Biergarten und ein paar Runden Pairs zur dunklen Radlermass. Eine Woche später sind wir beim hessischen Thomas und seiner Anne. Zweieinhalb Tage Spielen, diesmal mit dem Time-Stories-Abenteuer Hinter der Maske, aber ohne Biergarten. Dafür grillen wir auf dem Balkon.

Ende Oktober geht es weiter mit dem Nördlingen-Wochenende der Stuttgarter. Wir radeln hin, der Kälte wegen an zwei Tagen. Mit im Gepäck: Das Orakel von Delphi, Automobiles, Das Ende des Triumvirats. Und die Vorfreude auf die Essen-Neuheiten First Class und American Railroads, die Peter mitbringen will, sowie Attika, das netterweise Michael einpackt, obwohl er uns gar nicht kennt. Wieder fünf Tage voller Spiele und, weil nachts zu aufgekratzt, wenig Schlaf. Man will auch nichts verpassen am Morgen. Wir lernen unser erstes Exit-Spiel kennen, Die verlassene Hütte, umrunden Nördlingen zur Hälfte auf der Stadtmauer, essen Pizza und Muscheln mit Carsten, trinken richtig guten Kaffee mit Peter und Tilo und verpassen freiwillig den Zug, den ich mir für die Rückfahrt ausgesucht hatte. War es, weil wir noch ein First Class spielen wollten? Oder Codenames? Oder Snowdonia? Kutschfahrt zur Teufelsburg? Ich weiß es nicht mehr.

Der Gegenbesuch unserer hessischen Freunde folgt zwischen den Jahren. Drei Tage, in denen der Spielestapel stetig wächst, obwohl wir Delphi, Augustus, Yucata, auch das 8-Minuten-Imperium und Roll For The Galaxy je zweimal spielen. Traditionell machen wir am Ende eines solchen Spieletreffens ein Erinnerungsfoto mit Stapel. Es läuft langsam auf ein Hochformat hinaus.

Unser Spiel des Jahres 2017: Das LCG zum Herrn der Ringe

Thomas und Anne möchten Der Herr der Ringe: Das Kartenspiel (LCG) kennenlernen. Und hier bin ich beim Eigentlich angelangt. Eigentlich ist 2016 das Jahr der Brettspielwochenenden. Logisch wäre es, eines der dort häufig gespielten Spiele zu unserem Spiel des Jahres zu machen. Codenames zu Beispiel, das sich auch ganz hervorragend mit nichtspielenden Verwandten spielen lässt. Aber es ist nur auf Platz drei gelandet. Hinter Roll For The Galaxy, das wir so ziemlich jeden Monat mehrmals auf dem Tisch haben. Ein Roll geht immer, auch abends nach der Arbeit. Und ist immer wieder anders. Mal mit, lieber aber ohne Erweiterung.

It’s a living thing

LCG ist die Zauberformel: Living Card Game. In Kempten probieren wir das konfrontative Game of Thrones LCG aus. Besser gefällt uns das Herr der Ringe LCG, erschienen bereits 2011, an dem wir uns zu dem Zeitpunkt seit etlichen Wochen abarbeiten. Wäre der Suchtbegriff nicht negativ besetzt, ich würde von Sucht sprechen. Das Grundspiel hält nicht lange vor, die Zusatzabenteuer stapeln sich. Von Eowyn bin ich inzwischen zu Dain Eisenfuß und seinen Zwergen gewechselt. Wobei Aragorn und ein reines Taktikdeck neulich auch reizvoll waren.

Gerade während ich schreibe, nimmt es Florian wieder alleine mit den Trollen der Hobbit-Erweiterung auf. Den ersten hat er erledigt, zwei weitere warten noch. Das sieht nicht gut aus. Wenn wir Herr der Ringe spielen, spielen wir wochenlang so gut wie nichts anderes. Höchstens mal ein Roll zwischendurch. Deswegen verordnen wir uns nach bestandenen Abenteuer-Sets Pausen. Es gibt ja auch noch so viele andere gute Spiele.

Auch wenn Der Herr der Ringe – das Kartenspiel unser Spiel des Jahres ist, verbringt es den Silvesterabend im Regal. Wir wollen Orléans: Die Invasion spielen. Die kooperative Variante. Mit Thomas und Anne sind wir gerade knapp gescheitert. Da sollte eigentlich noch was gehen.

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Das Wetter der letzten Tage

by Florian

Im Regen gestanden

Am Sonntag gegen halb vier Uhr nachmittags überfällt Nicole und mich erstmals der Gewitterregen. Etwa 300 Meter vor uns eine Kirche, die wir routiniert mit unseren Rädern ansteuern. Leider geschlossen, aber wir drücken uns ins Portal, und – o Wunder – neben dem Portal liegt ein Regenschirm, der uns zusätzlich vor den dicken Tropfen schützt.

Wir sind auf dem Rückweg nach Vierkirchen, via Kaufbeuren, wo wir vielleicht zwischenübernachten wollen. 10 Kilometer haben wir seit dem Ende eines Spielewochenendes in Kempten erst zurückgelegt. Kein Wunder, dass wir die Zeit für einen ersten Rückblick nutzen. Ich erzähle noch einmal von meiner Anreise vier Tage zuvor, meinem Sonnenbrand und der Ankunft in der Jufa Kempten.

An der Rezeption haben sie mir gesagt, die Schlüssel hat alle Organisator Thorsten, und der ist gerade beim Kaffeetrinken. War mir nicht unrecht, Kuchenhunger und Kaffeedurst hatte ich. Allerdings war ich noch vom Radeln verschwitzt und von kleinen Insekten umkreist, als ich mich zu Heiko, Peter, Thomas und Thorsten gesellte.

Nach dem Duschen spielte ich Royal Goods mit Peter und Thorsten – und nach den neuen Regeln, die mehr Strategie versprechen. Tatsächlich gewann Peter, der die beste Produktionskette hatte. Zur Überbrückung trat ich anschließend gegen Peter in dem einfachen Konfliktsimulationsspiel Test of Fire an, das ich trotz Würfelglücks nach einer Dreiviertelstunde in aussichtsloser Position aufgab.

Den Rest des Abends bestritten wir mit dem nicht uninteressanten, aber zumindest für mich ziemlich verwirrenden City of Iron. Peter: „Das geht bestimmt viel schneller und macht viel Spaß, wenn alle es erst mal können.“ Ich: „Das Problem ist nur: Wie viele Spiele hast Du im Schrank, die reizvoll wären, wenn man sie fünf- bis zehnmal in gleicher Besetzung durchspielen würde?“ Peter nickte.

Am nächsten Morgen gab es ein Roll for the Galaxy, und während Funkenschlag bist Du dann ja gekommen.

Zweiter Anlauf

Inzwischen hat der Regen fast aufgehört. Wir hoffen auf die Rückkehr der Sonne und schwingen uns auf die Räder. Wenige Hügel weiter beginnt es erneut zu schütten. Wir setzen unseren Rückblick in einer kleinen Hütte fort, deren Tür fehlt und die nur noch von Spinnen genutzt wird. Nicole berichtet, wie sie als erstes Dietmar Roll for the Galaxy beibrachte und gleich mal verlor. Meine Antwort:

Ja, schon 2014 in Nördlingen haben sie mir gesagt, dass Dietmar jedes Spiel gewinnt, aber damals wollte ich es nicht recht glauben. Diesmal hab ich es gesehen, er hat ja auch gegen mich in Roll for the Galaxy gewonnen, in Mombasa ohnehin, und selbst in Codenames war er gut. Verloren hat er nur einmal im kooperativen Warhammer Quest, also zusammen mit allen anderen. Das hätte ich übrigens gerne mitgespielt, aber dann war ich grade in einer anderen Partie, als eine Runde startete.

175 Punkte hatte er in Marco Polo, habe ich mir sagen lassen. Das würde ich auch gern mal erreichen. Martin war stolz auf seinen zweiten Platz, bei dem er nicht von Dietmar überrundet wurde. Selbst ein 7 Wonders ist anscheinend für alle unberechenbar, nur für Dietmar nicht.

Baden gegangen

Da die schwarzen Wolken sich nicht verziehen wollen, beschließen wir, den nächsten Bahnhof anzusteuern: Günzach, die erste Station hinter Kempten. Gerade einmal 20 Radkilometer entfernt. Geschoben vom Gewitterwind erreichen wir den nüchternen Bahnhof und ziehen samt Rädern in einen kahlen Wartesaal ein, um über die Kemptener Unterkunft und weitere Partien zu sprechen.

Dass die Jufa ans Bad grenzt und der Eintritt jeden Tag frei, ist schon wirklich super, auch wenn wir nur zweimal schwimmen waren. Trotz des schönen Wetters. In die Stadt haben wir es gar nicht geschafft. Wir Banausen!

Aber es stimmt, dafür haben wir viele neue Spiele kennengelernt. Between Two Cities fand ich witzig, zumindest für einige Partien dürfte der Reiz halten. Wir optimieren eine vier mal vier Plättchen große Siedlung, wie in Cities, aber immer einem mit dem linken und eine mit dem rechten Nachbarn zusammen. Das ist doch mal ein origineller Dreh für das Take-It-Easy-Genre, das mit Karuba immerhin erneut auf der Nominierungsliste für Spiel des Jahres vertreten ist. Grafisch fand ich Between Two Cities zwar klar, aber wenig ansprechend.

Hansa Teutonica habe ich jetzt zum zweiten Mal gespielt, das hat sich in Spielerkreisen offenbar wirklich auf Dauer durchgesetzt, wie Carsten meinte. Für zwei soll es nicht so gut sein, ist ja auch eine Art Mehrheitenspiel – sonst würde ich es mal auf den Einkaufszettel setzen. Und schön auch, dass wir mal Among Nobles spielen konnten, das schon in Ruppertshofen 2015 beliebt war. Ich finde das Prinzip adeliger Stammbaum-Pflege charmant umgesetzt. Die von der Spielbox beanstandeten historischen Schwächen haben mich auf Anhieb nicht irritiert.

Donner folgt auf Blitz

Die Bahn kommt so pünktlich, wie der Donner auf den Blitz folgt. Das Radabteil im Regionalexpress ist leer. Der Schaffner rügt uns, wir hätten ja ein schönes Wetter mitgebracht. Wir zweifeln an unserer Schuld. Wetter Online meldet Gewitterwarnungen der höchsten Stufe in Bayern und dem Osten Baden-Württembergs. Die Fahrt nach München nutze ich für eine längere philosophische Erörterung eines Spielegenres, das mich derzeit besonders beschäftigt: komplexe Kartenspiele mit viel Text.

Wenn man die zwei Vertreter dieses Genres mischt, die wir in Kempten gespielt haben, nämlich das Game-of-Thrones-Kartenspiel und Nebel über Valskyrr, kommt ungefähr mein aktuelles Lieblingsspiel heraus: das Herr-der-Ringe-Kartenspiel. Allen ist letztlich ein enormer Aufwand für die Einarbeitung gemeinsam. Beim Herrn der Ringe mache ich nach mehr als 30 Partien noch Fehler, etwa weil ich den Text irgendeiner ausliegenden Karte übersehe und also nicht berücksichtige. Und die beiden Spiele von Thomas haben uns auch erstmal ganz schön gefordert. Man muss die Karten ja nicht nur lesen, sondern die Schlüsselwörter und Terminologie lernen, die Phasen des Spiels kennen, um zu wissen, wann man seine Fähigkeiten am besten einsetzt.

Um Game of Thrones ernsthaft zu spielen, bräuchte es meiner Meinung nach die größte Investition an Zeit. Schließlich müsste man neben den eigenen Karten auf der Hand und in der Auslage auch die aller Mitspieler zumindest grob kennen. Nach etwa zehn Partien könnte das wirklich interessant werden. Dagegen sind Valskyrr und Herr der Ringe kooperativ, und ein großer Teil des Spiels besteht letztlich darin, sich abzusprechen und den anderen die eigenen Fähigkeiten nahezubringen.

Der große Aufwand lohnt sich, weil die individuellen Texte und Effekte der vom Spiel erzählten Geschichte Tiefe verleihen. Unsere Partie von Game of Thrones war wirklich wie eine alternative Version der Romane. Ich spielte Haus Baratheon; als mein Anführer Stannis starb, war das ein das komplette Spiel prägendes Ereignis, eine Wende. Und das durch eine Spielmechanik: Plötzlich konnten wieder alle statt nur zwei Karten am Rundenende reaktiviert werden.

Zugleich denke ich, dass es sich kaum lohnt, mehrere Spiele dieser Art parallel zu spielen. Am besten eines anschaffen, wie wir es ja mit Herr der Ringe haben, und das wiederholt auf den Tisch bringen, um die Regeln im Kopf zu behalten.

Für uns dürfte Herr der Ringe sogar die beste Wahl sein, weil kooperativ und optimal mit zwei Spielern. Du sagst, Game of Thrones wäre Dir zu konfliktreich. Und mir wäre es mit mehr als zwei Spielern zu unübersichtlich. Mit der Zahl der Spieler steigt schließlich auch die Zahl der Karten. Das würde ich bei Valskyrr kritisieren: Ich finde weniger und dafür stärkere Monster interessanter.

Mir gefallen alle drei Spiele gut. Dass sich die Kennenlernpartie ein wenig zieht, muss man bei dem Genre hinnehmen. Immer noch besser als etwa ein Im Wandel der Zeiten mit 27 Stunden Bruttospielzeit. In einem Vergleich würde ich Valskyrr auf den dritten Platz setzen, weil es für meine Begriffe die schwächste Geschichte hat.

Bier und Brezelstangen

Kurz vor München erwacht die während meines Vortrags weggedöste Nicole. Wir erwägen, in Pasing auszusteigen und nach Obermenzing hinüberzuradeln, was das Umsteigen erleichtern und die Fahrtdauer etwas verkürzen würde. Da wieder einmal Platzregen einsetzt, verwerfen wir diese Überlegungen und bleiben bis zum Hauptbahnhof sitzen.

Dort profitieren wir ausnahmsweise von Bauarbeiten. Unsere S-Bahn fährt vom Nebengleis statt im Tiefgeschoss – mit schwer bepackten Fahrrädern ein großer Vorteil. In der Bahn kommen wir auf unsere Bier-und-Brezel-Kartenspielrunde zu sprechen, zusammen mit Carsten und Peter.

Die beiden haben ja zuvor immer ihre 18XX-Spiele gespielt. Hast Du mal in den Raum hineingeschaut? Sah aus wie eine Konferenz in der Firma, mit Beamer, alle starren aus die Leinwand, ein Brett hatten sie glaube ich gar nicht. Auch der Schienenbau passierte in der App. Es muss wohl was dran sein an diesen Spielen, aber ich spiele vorerst lieber ohne Rechner.

Jedenfalls hatte ich bei den anschließend zur Erholung anberaumten Kartenspielen meine wenigen Erfolgserlebnisse. Abluxxen hab ich gewonnen, ein Tichu nach dem anderen durchgebracht, und Ihr wart im Negativen, als Peter und ich die 1000 Punkte erreichten. Ha! Nur beim Schafkopfen mit verkürztem Kartensatz, mit Siebenern statt Neunern, habe ich erst ein kleines Vermögen gewonnen und dann ein größeres verspielt. Zum Glück ging es nur um Punkte.

Schafkopf hatte ich seit Jahren nicht mehr gespielt. Ich finde, im Rahmen eines solchen Wochenendes mit erfahrenen Brettspielern macht es sich ganz anders als im Biergarten mit Leuten, die nie etwas anderes spielen. Carstens Ausspruch werde ich in Erinnerung behalten: „Jetzt weiß ich, wie man beim Schafkopfen Erster wird, man gewinnt einmal ein großes Solo und spielt den Rest der Zeit so vor sich hin.“ Ob ich aber Peters Strategietipps verinnerliche, weiß ich nicht. Er hat sich ja selbst nicht immer dran gehalten. Und auch damit hatte er meistens Recht.

Mit Hansa Teutonica am einen Abend und Splendor am anderen folgte ja jeweils noch ein ordentliches Spiel. Da konnte man noch mal zeigen, dass man auch was anderes als karteln kann. Ich wurde in beiden Letzter.

Die S-Bahn fährt in den Bahnhof Vierkirchen ein. Nicole sieht hinaus: „Der Bahnsteig ist trocken. Hier hat es noch gar nicht geregnet!“ Das ändert sich, sobald wir den Zug verlassen. Platzregen setzt ein. Auf einigen hundert Metern werden wir bis auf die Haut nass. Der Schaffner hatte Recht: Wir sind es, die das schlechte Wetter mitbringen. Und in Kempten, die vier Tage Sonne? Die muss Thorsten organisiert haben.

Zum Nachlesen:

Novemberspielen auf der Schwäbischen Alb

by Florian

Egal ob Barbiepuppen, Fußball oder Brettspiele – wer zweckfrei spielt, tut das am liebsten mit Freunden. Das ist wohl auch der Grund, warum es immer einen Hauch von Überwindung kostet, einen neuen Spieletreff zu besuchen: Was für Leute werden dort sein?

Nicht offen, aber heimlich habe ich mir diese Frage vorm Novemberwochenende des Brettspieltreffs Stuttgart in Ruppertshofen auf der Schwäbischen Alb gestellt. 2014 waren wir schon einmal mit den Stuttgartern in Nördlingen, aber das war im Sommer und nur für einen Tag. Und nur als Tagesgäste.

Splendor

Wie’s dann doch meistens ist, gerade unter Spielern: Wir wurden nett aufgenommen, unsere Spiele auch, und alle hatten vier schöne Tage. Dennoch möchte ich betonen, dass in Ruppertshofen immer darauf geachtet wurde, dass keiner je allein dastand, niemand ausgegrenzt wurde, dass sich immer Tische mit mindestens drei Leuten fanden, auch wenn man dafür mal umplanen und das Fünf-Personen-Lieblingsspiel aufschieben musste. Das ist auch in Vierkirchen selbstverständlich – aber nicht in jedem Treff. Fand ich gut!

Ebenfalls positiv: Weder Barbiepuppen noch Fußball waren an diesem Wochenende sonderlich wichtig.

Mitgebrachte Spiele

Ich werde nicht jede Partie zwischen Donnerstagmittag und Sonntagnachmittag aufzählen können, wenn dieser Bericht jemals fertig werden soll – die erste aber war Royal Goods, das wir übergangsweise zu zweit angefangen hatten, während die vor uns Gekommenen ihr Among Nobles beendeten. Peter und Thomas zeigten gleich Interesse, und ich glaube, es war nicht einmal geheuchelt: Peter hat im Lauf des Wochenendes mindestens zwei weitere Partien dieses kleinen Kartenspiels gespielt, bei dem Karten Produktionsstätten ebenso wie Güter sein und durch Produktionsketten veredelt werden können.

Roll for th Galaxy

Roll for the Galaxy kam ebenfalls so gut an, dass es auch ohne uns gespielt wurde, der eine erklärte es dem anderen, und am Samstag, als sich Nicole mal als Regelerklärerin übte, hätte Armin ihr mit Erläuterungen ausgeholfen, der das Spiel selbst seit ein paar Stunden von Peter oder Carsten kannte, wenn, ja, wenn wir ihn gelassen hätten.

Die Erweiterungen Orléans Invasion und German Railroads trafen ebenfalls den richtigen Nerv – Carsten hatte Orléans sogar selbst dabei. Schlimm, dass wir nur vier Tage Zeit hatten. Ich hätte gern noch einmal eine Bahnlinie von München nach Berlin gebaut. Oder nach Hamburg. Oder doch … hm, lasst mich noch mal eine Minute nachdenken.

Bekannte Spiele

Nicht nur wir, auch alle anderen hatten mehr gute Spiele dabei, als sich in vier Tage quetschen ließen. Einige dieser Spiele kannten und mochten wir. Endlich wollte mal jemand Snowdonia und Suburbia mit mir spielen! Das Erste habe ich zuletzt solo auf dem Tisch gehabt, das Zweite schon länger gar nicht mehr. Beide stammten aus dem Gepäck von Thomas, der auch Die Glasstraße dabeihatte und kompetent erklärte und somit zu meinem Ruppertshofen-Gesamterlebnis entscheidend beitrug. Aber warum nur musste er dermaßen oft gewinnen!

Nicole spielte parallel zu meinem Snowdonia das zweite Caverna ihres Lebens, zieht aber nach eigenem Bekunden im direkten Vergleich das zuhause gebliebene Arler Erde vor. Das ist ganz gut so: Arler Erde ist nur für zwei, Caverna aber für bis zu sieben Spieler ausgelegt. Wobei der Tisch schon zu fünft ein paar Stunden brauchte.

Caverna

Schön war für mich auch, wieder mal eine Runde Stille Post extrem zu spielen (wenngleich nicht sehr still, wie der Nebentisch monierte). Das Spiel hatte ich 2014 in Nördlingen kennengelernt – und auch damals war Sabine dabei.

Neue Spiele

Niemand kann uns also beschuldigen, in Ruppertshofen dem „Cult of the New“ gehuldigt zu haben – dem auf Boardgamegeek sprichwörtlichen Drang von Vielspielern, immer nur Neuheiten auszuprobieren und Altes zu schmähen. Trotzdem gab es natürlich auch für mich Neues.

Ganz oben auf meiner Wunschliste steht seither das von Sabine eingeführte 20-Minuten-Spiel Codenames. Ein Erklärer muss mit einem Wort einige wenige von 25 ausliegenden Wörterkärtchen zusammenfassen. Er sagt zum Beispiel „Grün 3“, und sein Team weiß dann, dass genau drei Karten gesucht werden, die grüne Gegenstände benennen. Beispielsweise „Kaktus“, „Wald“ und „Ökostrom“. Dumm nur, wenn auch „Fischer“ ausliegt und der Erklärer nicht an eine mögliche Assoziation gedacht hat.

Weniger begeistert hat mich leider Imperial Settlers, das aktuelle Lieblingsspiel meiner Vierkirchner Mitspieler Vincent und Dominik. Thomas hatte es dabei. Marcus kritisierte die Unübersichtlichkeit der vielen Karten mit dem kleinen Text. Gut, das ist bei Roll for the Galaxy nicht anders. Man muss nicht immer genau alle Karten der Gegner kennen, und nach einem Dutzend Partien erkennt man die wichtigen ohnehin auch von Weitem. Was mich mehr gestört hat: Es zieht sich, ich musste oft den anderen zusehen, zumindest zu viert – während in Roll alle gleichzeitig aktiv sind. Ich finde Imperial Settlers auch arg lang fürs Gebotene. Und oft hatte ich das Gefühl, eine naheliegende optimale Zugfolge mit den zugeteilten Karten auszuführen, also gespielt zu werden. Okay, ich kann mich getäuscht haben, ich wurde Letzter – hatte aber auch frühzeitig ein zentrales Gebäude an einen gegnerischen Vulkanausbruch verloren.

In einem will ich Marcus Recht geben: Hansa Teutonica, das wir beide ebenfalls erstmals spielten, ist eleganter als Roll for the Galaxy oder Imperial Settlers. Jeder hat jederzeit die vollständige Spielsituation im Blick. Klasse finde ich auch, dass die Verdrängungsaggression für das Opfer sogar Vorteile hat. Manchmal platziert man sich bewusst, um verdrängt zu werden. Und ebenfalls positiv: Aggressionen treten hier nie willkürlich auf, gegen den Führenden oder weil der da heute schon dreimal gewonnen hat. Nein, wer in Hansa Teutonica andere verdrängt, tut das klugerweise nur aus Eigeninteresse. Damit ist der Angriff absehbar – und eben nicht willkürlich.

Interessant war auch das Kartenspiel mit dem bizarren Thema, Die blutige Herberge, wo wir als zentralfranzösische Gastwirte entweder kleine Zimmerpreise einnehmen oder deutlich lukrativer die Reisenden ermorden – aber dann auch verscharren müssen, wegen der Polizeikontrollen. Tom (nicht zu verwechseln mit Thomas oder dem anderen Thomas) hatte es mitgebracht, und eine zweite Partie wäre sinnvoll gewesen. Es kam nicht dazu.

Eketorp

Ohne mich hatte Nicole am Donnerstagabend außerdem Keyflower gelernt und gleich mal gegen erfahrene Spieler gewonnen. Bei ihrem zweiten Überraschungscoup war ich dann dabei: dem Queen-Spiel Eketorp, das Tom am Samstag auflegte, eigentlich ein nicht sehr spannend klingendes Blindbieten, das aber am fortgeschrittenen Abend durchaus Spaß machte und eine denkwürdige Wendung nahm.

In Eketorp bauen wir nämlich eine Wikingerstadt mit einem Schutzwall aus billigen oder teuren Rohstoffen, um die wir uns notfalls mit Karten prügeln. Armin schien mit billiger Grasbauweise einen klaren Vorsprung herausgeholt zu haben, während die meisten – etwa ich – so dahin dümpelten oder andere – etwa Nicole – mühsam Holz, Lehm und Steine herbeikarrten. Kein Wunder, dass Armin bald von Möchtegern-Dieben belagert wurde. Und als dann die meisten seiner Männchen angeschlagen aussetzten, ritt Nicole die entscheidende Attacke, holte sich sechs grüne Steine auf einen Schlag und war im Handstreich mit ihrer Wikingermauer fertig. Spiel aus – gewonnen.

Verpasste Spiele

Vier Tage Dauerspielen klingen nach viel, sind aber doch zu wenig. Ich habe bereits erwähnt, dass mir eine zweite Partie Blutige Herberge entging, auch Caverna oder Keyflower fanden leider ohne mich statt. Daneben hätte ich gern mal Among Nobles ausprobiert, das produzierte so interessante Tischgespräche wie: „Ich muss dringend heiraten.“ – „Ich brauch ’nen Mann für meine Tochter.“

Auch Affentennis will ich seit Jahren probieren. Und von Battlestar Galactica habe ich keine Ahnung, ist das nun ein großartiges Spiel oder nur ein aufgemotztes Werwölfe? Ich hätte es gern herausgefunden. Jedenfalls war es am Sonntagmorgen noch Gesprächsthema beim Frühstück, als einer der beiden Verräter (ich glaube, sie heißen Zylone) schon gar nicht mehr da war – der sonst doch so unverdächtig und nett wirkende Tom.

Ein knapper Abschied

Die Burgen von Burgund

Nach diesem Sonntagsfrühstück gab es noch einmal eine entspannte, aber konzentrierte Runde mit Carsten, Thomas und Nicole. Wir testeten die kompetitive Orléans-Erweiterung Blütezeit, rollten noch einmal durch die Galaxis – und besuchten Die Burgen von Burgund. Mit dem knappsten Ergebnis, das ich je gesehen zu haben mich erinnere. Obwohl es Thomas‘ erste Partie war. Ich gewann, einen Punkt vor Nicole, vier vor Thomas und sieben vor Carsten. Dass ich ein Foto der Siegpunktleiste machte, ist wohl deutlicher als alles, was ich noch dazu sagen könnte.

Ob’s beim nächsten Mal wieder so schön wird, kann ich eigentlich nur bezweifeln. Man muss schließlich realistisch bleiben! Aber ich hoffe auf jeden Fall, bald wieder bei einem Wochenende der Stuttgarter Gruppe dabei zu sein.

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