Zwischen Burgen von Burgund und Istanbul stehen Jochen und ich draußen, atmen durch, bevor es zurück in die warmen, aber schlecht belüfteten Gasthausräume geht. Ich sage: „Diesmal schreibe ich keinen Bericht.“ Jochen antwortet: „Oder du machst es kurz: War nix.“
Ich habe aber doch ein bisschen was zu sagen zum Regionalvorentscheidungsturnier zur Deutschen Brettspielmeisterschaft am Sonntag in München, wie immer top organisiert von einem entspannten und souveränen Jo von den Spuiratzn. Und die anderen Vierkirchener auch. Karen zum Beispiel, die mit 26 Punkten Dritte in Dominion wird, dem ersten Spiel des Tages. „27 wären der zweite Platz gewesen.“ Oder Jochen, der in Spiel Nummer zwei, Nations, im Tiebreaker auf dem letzten Platz landet. „Also, entweder spiele ich nächstes Jahr gar nicht mehr mit oder ich trainiere nur zweimal.“ Es ist sein zweiter vierter Platz in Folge.
Oder Michael, der vor dem Mittagessen ebenfalls zweimal Rang vier belegt. „Hättet ihr nur mich in der Mannschaft statt Jochen, dann hättet ihr jetzt auch zwei Punkte.“ Michael wollte heuer erstmals ein Familienteam mit seinen drei Kindern Karen, Felix und Philipp bilden. Und ich, geblendet von meinem Vorjahreserfolg mit drei ersten und einem zweiten Platz, wollte gerne mit denjenigen zusammenspielen, die im Falle einer Qualifikation auch Zeit haben am mittleren Wochenende der Pfingstferien, wenn in Herne die Deutschen Brettspielmeisterschaften stattfinden. Nach Dominion ist klar, dass Herne noch auf uns warten muss.
Hoffnungslos
Obwohl das nicht ganz stimmt. Dominik gewinnt seine Partie, ich auch. Unser Team holt 13 Punkte. Mit 14 wären wir im Soll, denn viermal 14 macht 56 und das reicht meistens für Rang zwei und damit Herne. An meinem Tisch sitzt wieder Martin von The fab four, dessen höfliche, ruhige Art ich schon im Vorjahr bei 7 Wonders genoss. Wir alle vier, Martin, Susi von den Emmeringer Hölzlhexen, Christian von den Zugspitz-Zockern und ich, finden das permanente Abheben doof. Aber wir halten uns dran. Das beansprucht mehr Zeit, als zu überlegen, was man in seinem nächsten Zug so tun kann. Keine Hexe, keine Miliz, dafür Gärten und Kapelle. Wenig Aggressionspotenzial, man muss sich zwischen Minimaldeck mit Kapellenstrategie und Gärten samt Maximimaldeck entscheiden. Spion und die ganzen Diebe im Umlauf stören ein bisschen, aber im Prinzip kann jeder seinen Stiefel spielen.
Martin nimmt gleich im ersten Zug eine Kapelle, entsorgt früh drei Anwesen, schafft es allerdings nicht, sein Deck so klein zu halten, dass ständig Gold auf die Hand kommt. Ich will eigentlich auch eine Kapelle, komme aber nicht dazu, und fange mit den Gärten erst an, als Susi da vorprescht. Alle zehn gönne ich ihr dann doch nicht. Doch so ziemlich jeder außer mir hat Pech mit dem Nachziehen. Bei Susi reicht es nicht immer für einen Garten, bei Christian nicht immer für ein Herzogtum und bei Martin nicht oft genug für eine Provinz. Am Ende hat er fünf, aber keine Anwesen mehr. Ich vier, ein Herzogtum, meine Anwesen und sechs Punkte über meine drei Gärten. Platz eins.
Es geht leider nicht so überragend weiter wie ein Jahr zuvor. Bei Nations werde ich Vierte. Florian Zweiter hinter Karen vom Familienteam, Dominik Zweiter via Tiebreak. Der Sieger hat mehr Schwerter. Und Jochen, wie gesagt, Letzter, ebenfalls im Tiebreak. Jetzt sind wir raus aus dem Rennen nach Herne.

Aber dann will ich wenigstens Die Burgen von Burgund gewinnen, eines meiner Lieblingsspiele, das ich mit dem Regvor-Plan immer und immer wieder auf Yucata trainiert habe. Zu oft. Ich bin Startspieler, fange unten links an und mache trotzdem in der zweiten Runde als Erste die Minen fertig. Und dann vertändle ich, bin unkonzentriert und muss mich am Ende mit Platz drei abfinden. Das schmerzt. Jochen und Dominik werden ebenfalls Dritte, Florian Zweiter. An seinem Tisch sitzt Stephan vom späteren Turniersieger U++. Es ist dessen dritter Sieg in Folge. Mit über 270 Punkten. Wir wussten gar nicht, dass das auf dem Regvor-Plan möglich ist.
Nachwuchshoffnung
Stephan tritt bei Istanbul gegen Felix aus unserer Familienmannschaft an. Ebenfalls am Tisch Erwin von den Spuiratzn. Beides sehr gute Spieler, die sich Zeit zum Nachdenken nehmen. Für Felix, der ratzfatz seine Züge macht, eine Partie unter erschwerten Bedingungen. Trotzdem hat er als Erster seine fünf Edelsteine auf dem Karren. Den ersten holt er im Sultanspalast, den zweiten in der Kleinen Moschee und die übrigen beim Edelsteinhändler.
Stephan wird Zweiter. Im Vorbeigehen sagt er zu mir: „Ihr habt starken Nachwuchs.“ Felix‘ Auftritt imponiert ihm so, dass er ihm eines der Spiele weitergeben möchte, die er sich als Mitglied der Siegermannschaft und bester Einzelspieler aussuchen darf. Er lässt Felix wählen, und der entscheidet sich für Die Piraten der 7 Weltmeere, Essen-Neuheit 2015. Wir hatten es angegeben, als Organisator Jo im Vorfeld des Turniers Vorschläge haben wollte. Wir finden das alle total nett von Stephan und freuen uns, dass, obwohl unsere beiden Teams nicht über Mittelmaß hinausgekommen sind, doch unser Spielewunsch in Erfüllung geht.
Felix: „Ich habe heute dreimal gedacht, dass ich gewinne. Wenigstens habe ich einmal gewonnen.“
Florian: „Istanbul war gut, da hatte ich einen netten Tisch.“
Karen: „Ich wollte nicht verlieren, ich habe zweimal verloren.“
Michael: „Wir hätten einen Textvorschlag für den Blogbeitrag: Jochen und Michael hatten ein Ergebnis, das durchaus zufriedenstellend gewesen wäre.“ 14 Punkte, allerdings zu zweit. Beide werden Vierter, Vierter, Dritter, Zweiter.
Das Turnier nimmt für mich übrigens eine versöhnlichen Ausklang mit einem ersten Platz in Istanbul. Eigentlich hatte ich mir angewöhnt, meinen Karren Karren sein zu lassen und schnell auf Geld zu spielen. Aber jetzt ist eh schon alles egal. Ich marschiere erst zum Tuchhändler, dann zur Wagnerei, die genau darüber liegt. Dort hole ich mir dank meiner anfänglichen Fünf-Lira-Bonuskarte das erste Ausbauteil für den Karren, pendle zwischen Postamt und Teestube, mit Zwischenstopp bei der Wagnerei, und mache mich dann erst auf den weiten Weg in die Kleine Moschee am anderen Ende des Plans. Da organisiere ich recht fix beide Plättchen und damit meinen ersten Edelstein, während Sven von Ohne Risiko mit 4 Nebenwirkungen neben mir schon drei und Georg von Ragequit aus Augsburg schon zwei hat. Nur David von den Kellerkindern aus Lindau lässt es noch ruhiger angehen als ich.
Ich verkaufe noch schnell eine volle Ladung auf dem Kleinen Markt und wandere zurück. Dann geht es Schlag auf Schlag, das letzte Karrenteil, ein bisschen würfeln in der Teestube, einmal den Gehilfen zum Großen Markt geschickt und es reicht für die Edelsteine drei bis fünf. Auch dank einer weiteren Fünf-Lira-Bonuskarte, die ich irgendwann dem Gouverneur abgeknöpft habe.
Was noch gut war
Mit David und seinen Teamkollegen Andreas und Bernhard plaudere ich bei einer Tasse Latte macchiato und Mohnkuchen. Andreas kenne ich aus den vergangenen beiden Jahren. Er mag wie ich Isle of Skye und Mombasa. Spiele, für die jetzt wieder Zeit ist.
Eigentlich müsste ich zufrieden sein mit meinen zwei Siegen. Dankbar. Walter von den Z’sammghexten Amperparkern ist es. Walter und ich haben noch nie gegeneinander gespielt, aber vergangenes Jahr haben wir uns den Sieg in der Einzelwertung geteilt. Diesmal wird er wie ich Erster, Vierter, Dritter und dann noch mal Erster. Walter sagt: „Die 18 Punkte vergangenes Jahr waren eine Ausnahme, eigentlich bin ich eher ein 13-Punkte-Spieler.“
Statt mich zu freuen, grüble ich nachts. Burgen von Burgund nagt an mir. Am Morgen bin ich weiter. Zu große Erwartungen nehmen den Spielspaß. Und ich bin eher eine 13-Punkte-Spielerin. Das ist ja eigentlich auch schon ziemlich klasse.
Was noch gut war an der Regvor: Pectoral Brust-Karamellen. Sie bringen Michael durch den Turniertag. Auch Dominik, Philipp und ich greifen zu.
Was gefehlt hat: Vincent. Am Freitagabend half er noch als Ersatzspieler aus. Er wäre so gern angetreten. Aber ein drittes Team kam nicht zustande. Jochen sagt: „Nächstes Jahr spielt Vincent für mich.“ Florian sagt: „Ich wünschte, Vincent wäre in unserer Mannschaft gewesen. Statt meiner.“
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