März 2021: Eine Ziege mit zwei Köpfen

von Florian

Ende der Achtzigerjahre gab es eine Rollenspiel-Convention namens Munich One, die trotz ihres Namens in Gräfelfing stattfand. Ich habe dort ein Robin-Hood-Abenteuer nach den Regeln von Runequest 3 und ein Diebesabenteuer mit einem selbst entwickelten Minimal-System mit Münzen geleitet, das heute als verschollen gelten muss. Zum Glück.

Seit jenem Tag war ich nicht mehr Spielleiter einer öffentlich ausgeschriebenen Runde, im März 2021 dann gleich zweimal: einmal Brindlewood Bay und einmal Trophy Gold. Weil es letzten Monat schon ausführlich um Brindlewood ging, erzähle ich heute von Trophy.

Straßenkinder von Ur-Hadad

Eine Fantasy-Metropole. Drei versprengte Mitglieder einer Straßenbande auf der Flucht. Mit dem Maskottchen einer fremden Bande. Ein langer Heimweg durch die abendliche Stadt. Ein Fest im Karawanenpark. Ein vermisster Feuerschlucker. Das waren die Elemente, die mir die Zufallstabellen aus Edgar Johnsons Street Kids of Ur-Hadad an die Hand gaben.

Ich hatte eine Reihe von Einstiegsfragen vorbereitet. Meine Spieler – Dominic, Eric und Waldemar – brauchten die gar nicht. Sie fingen während der Figurenerstellung von selbst an, ihren Hintergrund auszufabulieren. Drei Geschwister wollten sie sein, und bei dem eroberten Maskottchen sollte es sich um eine doppelköpfige Ziege handeln.

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Das ursprünglich für Dungeon Crawl Classics geschriebene Abenteuer lief von selbst. Das Spielsystem Trophy Gold ist darauf ausgelegt, Old-School-Szenarien mit überschaubaren Mitteln zu spielen und die Spieler über die Aktionen ihrer Figuren hinaus am Ablauf der Geschichte zu beteiligen.

Als Trophy-Anfänger machte ich einige kleine Fehler, wollte wohl auch die Gefahrenwürfe (Risk Roll) zu sehr mit Bedeutung aufladen, zu viel originelle Wendungen einbauen. Das war nicht nötig, ich hatte ja die skurrilen Vorgaben des Abenteuers und die Ideen der Spieler. Tipp an mich selbst fürs nächste Mal: Mach’s nicht zu umständlich. Wähle die offensichtlichen Gefahren, Teufelspakte und Komplikationen.

Zum Glück ist Trophy robust. Die Erzählung floss weiter, im Lauf der nächsten Szene gerieten die überzähligen Komplikationen in Vergessenheit. Es war kein spektakulärer, aber ein schöner Abend, und ich freue mich auf meine nächste Runde Trophy – nicht erst in 30 Jahren.

Mörk Borg und andere Grausamkeiten

Sechs Abende im März habe ich als Spieler in Runden anderer mitgemacht. Das waren ausnahmslos Höhepunkte: Als griechischer Priester kämpfte ich in Agon gegen eine Riesenschlange, als Ritter der Tafelrunde scheiterte ich in Chalice an meinem Stolz. In Mörk Borg spielte ich einen dummen Adligen mit klugem Pferd und anschließend (weil ich schnell starb) einen Mönch mit Fistelstimme. Mein Messerwerfer gab in Dungeon World seine Abschiedsvorstellung (siehe Februar-Bericht), und in Trophy Dark erkundete ich die Höhen des Schwarzwalds auf der Suche nach Hexenkulten.

Schließlich verfolgte ich in Call of Cthulhu als sowjetischer Politkommissar Achmerow Misswirtschaft im Sowchos Krasivyj Oktabyr. Nächste Woche wird sich zeigen, was grusliger ist, die Menschen oder die lovecraftischen Monster. Schließlich agieren meine Mitstreiter und ich im Namen von Stalins Innenministerium, dem NKWD.

Kingdom Builder

Was Brettspiele anging, haben Nicole und ich endlich die Codenames-Web-App erprobt. Die macht das Onlinespielen wirklich einfacher. Niemand muss mehr Karten auslegen und jede Runde einmal abfotografieren. Selbst zu zweit spart man sich die Mühe des Aufbaus. Allerdings stellten wir fest, dass die Konzentration nicht so hoch ist wie am Tisch vor ausgebreiteten Karten.

Dazu haben wir Kingdom Builder mal wieder aus dem Regal geholt, eins unserer langjährigen Lieblingsspiele. Es steckt voll aktueller Erkenntnisse. Ein Herrscher hat es schwer. Nimm das, sagt das Schicksal maliziös grinsend, und gibt dir eine lächerliche Karte in die Hand. Mach das beste draus!

Als Regierender muss man sich den Fakten stellen, die Lage studieren, die Siegbedingungen im Kopf halten und von Runde zu Runde entscheiden, wo nachhaltiger Punktgewinn möglich ist. Wie als Spielleiter in Trophy Gold gilt: Mach’s dir einfach, halte dich an die naheliegenden Optionen. Tu, was getan werden muss. Hör auf die Stimme der Vernunft.

Ach ja. Es war ein guter Monat – zumindest spieletechnisch.

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