Januar 2021: Wieder Rollenspieler

von Florian

Manchmal passieren Dinge, die hat keiner vorhergesehen. Nicht mal Bill Gates oder Christian Drosten.

18 Jahre lang habe ich mit wechselnder Intensität Rollenspiele gespielt. Mit Stift und Zettel statt Computer. Ihr wisst schon.

Dann habe ich 18 Jahre Pause gemacht. Ich dachte, das Kapitel wäre abgeschlossen.

Seit ein paar Monaten bin ich wieder Rollenspieler.

Den ruhenden Stein brachten Twitter-Bekanntschaften ins Rollen, die neben Brettspielen auch Rollenspiel spielen. Insbesondere Sandra und Moritz. In den Runden dieser beiden durfte ich 2020 mindestens einmal mitmachen.

Dazu kam die Erkenntnis, dass sich das Hobby in den letzten 18 Jahren weiterentwickelt hat. Neugierig geworden, erwarb ich Beyond the Wall, das Old-School-Regeln mit neuen Konzepten (insbesondere „Playbooks“, fragebogenartigen Spielhilfen für die Figurenerschaffung) kombiniert.

Beyond the Wall/Switch & Signal

Beyond the Wall

Mit Tilo, Carsten und Nicole gründete ich eine Beyond the Wall-Runde. Nach zehn Folgen ging die Mini-Kampagne im Januar zu Ende. Für Interessierte folgen einige meiner Erkenntnisse:

  • Die Regeln sind schön einfach gehalten. Die Figurenerschaffung von Beyond the Wall gibt den Figuren eine Portion Hintergrund, eine gemeinsame Vorgeschichte. Das hat uns einen fliegenden Start ermöglicht.
  • Meine Spieler wollten nicht gerne Gewalt anwenden. Selbst Tonfiguren zu zerschlagen, war ihnen unangenehm. Sie haben kaum gekämpft, wahrscheinlich weniger als andere Gruppen gewürfelt. Entsprechend waren die Schicksalspunkte (fünf pro Abenteuer für Schurken, drei für andere Klassen) zu reichlich. Ich würde sie im Wiederholungsfall auf zwei beziehungsweise einen Punkt kürzen.
  • Mit den Abenteuern von Beyond the Wall bin ich nicht warm geworden. Zu wenig stimmungsvoll, zu wenig Rätsel. Herausragende Erlebnisse boten hingegen die konvertierten Szenarios „The Darkness Before Dawn“ (Dragon Warriors) und „The Portal Under the Stars“ (Dungeon Crawl Classics).
  • Aufgrund der speziellen Gruppenzusammensetzung (zwei Magier, eine Waldläuferin) lag es nahe, selbst Abenteuer zu schreiben. Das tat ich auch. Das erste war prima, das zweite ging an der Gruppe vorbei. Zufällig bekam ich in dieser Phase das Buch Play Unsafe von Graham Walmsley in die Hände. Ich glaube, das hat meine Spielleiter-Fähigkeiten einen Riesenschritt vorangebracht. Vor allem der Hinweis, jede Idee aufzugreifen und weiterzuspinnen. Seither sage ich regelmäßig: „Ja, genau so ist es! Und außerdem …“
  • Da ich gleichzeitig als Spieler diverse andere Systeme ausprobierte, kam ich auf die Idee, für besondere Szenen „Spielzüge“ in die D&D-artigen Regeln von Beyond the Wall zu übernehmen. Das ist mit etwas Vorbereitung verbunden, aber es lohnt sich, und ich kann ein solches Experiment jedem, der ein vergleichbares System spielt, nur empfehlen. Hier ein Beispiel:

Im Waldsee nach einem magischen Ring tauchen:
Mach eine Probe gegen GE (Fertigkeiten wie Schwimmen oder Tauchen geben Bonus). Auch bei einem Misserfolg findest du den Ring, aber wähle eins:

  • 1W6 Sumpfegel saugen sich an deinen Armen fest.
  • Du bleibst in Schlingpflanzen hängen und musst gerettet werden.
  • Der Ring rutscht dir durch die Finger, du kehrst ohne ihn ans Ufer zurück.

Libreté

Dreimal habe ich im Januar als Spieler Libreté von Vivien Féasson gespielt, in einer Viererbesetzung unter der Leitung von Eike. Das französische Rollenspiel rückt in der Tradition des Comics Seuls und von Peter Pan eine Schar Kinder in den Mittelpunkt. Sie müssen in einer dystopischen Welt ohne Erwachsene überleben. Meine Figur Clotaire trug zwar einen Namen aus dem Petit Nicolas von Goscinny (und eines Merowingerkönigs), war aber an Ralph aus Goldings Lord of the Flies angelehnt. Ich habe mir für ihn auch ein Bild der Sechzigerjahreverfilmung von Peter Brook ausgeliehen.

Unser Zufluchtsort – unsere Libreté – war ein alter Bahnhof, der sich für uns vier als unerwartet gefährlich erwies. Eine Gruppe von „Dungeoneers“, denen unterirdische Aufräumarbeiten oblagen, rebellierte gegen gegen unsere Anführerin, La Reine Madeleine. Und man stelle sich vor, diese Verräter hielten sich eine Giftschlange als Haustier, die eine von uns biss!

Schlimm fing es an, schlimm ging es weiter: Wir konnten die Absetzung Madeleines nicht verhindern, die Dungeoneers nur mühsam in die Schranken weisen, und im Durcheinander schlug ich, wütend mit einer Metallstange fuchtelnd, die Glasdecke des Bahnhofs kaputt. Regen drang ein und, mit ihm die gefährlichen Sirenen.

Wir mussten die Libreté aufgeben. Mit einer Dampflok brachen wenigstens zwei von uns ins Unbekannte auf, ein neues Zuhause zu finden …

Und Brettspiele?

Ich vertrete die Meinung, dass sich Rollenspiele online viel besser als Brettspiele spielen. Nicole dagegen ist öfter auf Board Game Arena unterwegs, um mit Freunden Marco Polo II oder Terra Mystica zu spielen.

An freien Tagen bringen wir aber immer mindestens eine Partie unter. Zuletzt hat uns Switch & Signal hervorragend gefallen. Zudem schieben wir bisweilen ein Hanabi ein.

Mal sehen, was die Zukunft bringt, außer hoffentlich genügend Impfstoff. Ich könnte mir vorstellen, dass hier künftig öfter Rollenspiele Erwähnung finden.

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