Der Narr, die Hühner und ihr Fürst
von Florian
Im Glanz der Abendsonne lag das sanfte Tal, wenige Wegstunden oberhalb der Loire, wo sie noch jung ist – im Burgund. Vier Burgen ragten in den Himmel. Der Narr trat vor eine Hütte und klingelte mit seiner Schellenkappe.
„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, aber in welchem dieser Paläste treffe ich den Herrn dieser prächtigen Ländereien an?“ Ohne ein Wort, aber mit Blicken, die Buchseiten füllen könnten, wies ihm ein junger Bauer den Weg nach der westlichsten der Burgen.
Weniger Höflichkeit und mehr dumme Streiche waren nötig, um pünktlich zum Abendessen einen Platz an der Tafel des Fürsten zu erobern – wenngleich am unteren Ende. Der Koch servierte Hühnerfrikassee, und als der Narr in seinem ein goldenes Ei fand, hatte er die Aufmerksamkeit für sich.
„Das kommt davon, wenn man die Hühner zusammen mit den Schweinen weidet!“ rief der Narr. Graf Florian le Gourmand blickte schulterzuckend vom Kopfende des Tisches zu ihm herab. „Wir haben hier mehr Hühner als Körner, die sie picken können – und keine großen Weiden. Aber über das Ergebnis kann Er sich ja wohl kaum beschweren, selbst wenn es nicht essbar ist.“
„Durchlaucht erlauben!“ rief der Narr und biss in das Ei. Mit golden blitzenden Zähnen fuhr er fort: „Diese Ländereien sind wohl gepflegt, aber auf einer großen Weide mit zwanzigtausend Hühnern könnten weniger Bauern täglich mehr Eier schneller einsammeln, was am Ende die Staatskasse bereichern würde. Ich habe dergleichen andernorts gesehen.“
„Er redet wie ein Narr!“ gab die Durchlaucht zurück. „Die Natur hat es so eingerichtet, dass uns nur zwei gleich große Weiden zur Verfügung stehen, von denen eine südöstlich, die andere aber nördlich dieser Burg liegt. Wo sie sich am nächsten kommen, arbeiten Gelehrte an einer Methode, die uns beim Verkauf von Waren einen zusätzlichen Arbeiter verschafft.“
„Das scheint mir eine unglaublich hilfreiche Wissenschaft, die aus dem Verkauf von Weinfässern Männer gewinnt – es sei denn, sie hätten wie Diogenes vorher drin gehaust“, höhnte der Narr. „Doch sagt mir einmal, warum Ihr übers ganze Tal Warenhäuser verteilt habt, und keineswegs alle in der Nähe des Wassers, das den Weitertransport erleichtert.“
„Es entspricht unserer Bauverordnung und hat sich als vorteilhaft zur Vermeidung von Streit zwischen Handwerkern erwiesen, dass in jeder Siedlung nur einer jeder Art sein Geschäft aufmachen darf.“ Dem Fürsten lag das Thema am Herzen, wie sein geduldiger Ton verriet. „Unsere Staatskasse umfasst 232 goldene Louisdor. Unser Nachbar Fürst Lukas, der einen solchen Handwerker-Erlass nicht kennt und eine Schreinerei Tür an Tür an die nächste baut, kann nur 220 Louisdor vorweisen.“
„Fürst Philipp jedoch, der Thronfolger, verkauft seine Waren direkt, ohne sie zu lagern. Und er hält tausende Rinder auf einer einzigen Weide. Diese Effizienz beschert ihm eine Staatskasse mit 234 Louisdor – mehr als Ihr!“
Der Fürst nickte. „Ich muss sagen, Er ist gut informiert. Aber man muss mit seinen Gegebenheiten haushalten. Wir haben auch nur eine einzige Mine, unsere Dörfer sind in kleine Flecken zerrissen, dafür haben wir unsere Dörfer, Weiden und Güter in der Fläche maximal ausgebaut.“
„Aber leider ineffizient“, sagte der Narr, indem er einen goldenen Rest in der Hand wägte. „Eure Nachbarin, die Herzogin Nicole, hat auf weniger Fläche 237 Louisdor eingesackt.“
„Wohl wahr, aber wer will schon wie sie gutes Silbererz für Gelehrte ausgeben, die das ganze Jahr nichts leisten und nur am Ende den Staatsschatz mehren.“ Der Fürst winkte ab. „Aber Er gefällt mir – ein Narr, der den Wert des Geldes kennt und harte Fakten schätzt, ist selten. Warum bleibt Er nicht hier und macht sich um unser Fürstentum verdient? Ich kann Ihm jeden Tag Omelette aus der Hofküche und am Wochenende ein Suppenhuhn versprechen – an Geflügel ist bei uns kein Mangel.“
Der Narr schüttelte erst die Haare, dann den ganzen Kopf. „Pardon, aber ich hoffe woanders auf gut abgehangenes Rindfleisch.“
Der Fürst lachte. Er war wirklich ein Narr.
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